Brief, hschr., schwarze Tinte auf anderthalb Seiten, die ein Blatt eher dünnen, durchscheinenden Papiers ein­nehmen; Format wie Brief 3; kein Um­­schlag.

Degerloch, 15. 7. 23.

Liebe Käthe!

 Sonntagnachmittag! Heute Morgen kam schon ein Kollege zu mir um gemeinsam etwas zu arbeiten. Eben kamen wir vom Essen und im Kasten fand ich Deine Karte1. Lieben Dank dafür. Mein Kollege hat sich für ein halbes Stündchen auf mein Bett gelegt; die ersten Nachmittagsstunden sind auch nett warm. Man schwitzt vom Nichtstun. Und ich will in der Zeit an Dich schreiben.

8 Schön wär’s gewesen wenn Dein Urlaub und mein Besuch hätten zusammenfallen können; es gibt immer Verschiebungen damit muß man rechnen.

2Am Mittwoch (18. Juli) fängt unser Examen an und geht bis etwa 7. August. Und dann wenn man’s auch hinter sich hat, ist man doch noch nicht in Weferlingen3. Ich werde wahrscheinlich 12 auch nach Berlin müßen, aber erst wenn der nötige Bescheid aus dem Ausland da ist.4 Aber wenn ich doch mal nach Norddeutschl<an>d │ fahre, dann möchte ich auf der einen Reise alles zusammen erledigen und richte auch meinen Besuch darnach ein.5 Einen Zeitpunkt dafür kann 15 ich also nicht angeben da ich auf Nachricht warten muß. Aber ich werde mich freuen wenn’s soweit ist.

6Nach dem Examen schreibe ich Dir mehr und deßhalb mußt Du mir erlauben wenn ich für diesmal Schluß mache.

19 Dir wünsche <ich> recht schöne Urlaubstage; grüß die Asse7 und sag ich kom<m> auch einmal. Herzliche Grüße

Dein Friedel.

22 Grüß mir Deine liebe Mutter und Geschwister herzlich.8

Anmerkungen

1 Der Anfangsbuchstabe zuerst als ‘R’, dann durch Verstärkung der ‘K’-Striche rektifiziert. – Selige Zeiten, da auch sonntags die Post ausgetragen wurde! An Sonn- und Feiertagen gab es seit den 1880er Jahren eine Briefzustellung – keine Auslieferung aber von Paketen, Päckchen, Einschreiben –, jedoch anders als an den Werktagen ‘nur’ einmal (statt zwei- oder dreimal) täglich, und zwar bis spätestens mittags zwölf oder ein Uhr – das schwankte regional.

2 Fehlender Absatzeinzug sic.

3 Zu Weferlingen, dem Wohnort von Käthes Familie, s. Einl., bes. Anm. 57; Brief 3/Anm. 15.

4 Zu Friedels stets nur angedeuteten ‘ausländischen’ Berufsplänen vgl. Briefe 3, Z. 90; 6, Z. 6f. 13. Offenbar hatte er in Berlin einen (später nach Stuttgart heiratenden: s. Brief 6, Z. 8) «Herr[n] aus dem Ausland» (ebda., Z. 6f.) kennengelernt, über den er eine Arbeitserlaubnis in dessen Heimat zu erlangen suchte.

5 Das klingt schon weit weniger mußevoll, weit eiliger und geschäftiger, als Friedel noch in Briefen 3, Z. 55f. 87ff. 95f., 4, Z. 19f., und 5, Z. 11f., seinen nächsten Besuch bei Käthe ausgemalt hatte.

6 Fehlender Einzug sic.

7 Zur Asse, die Friedel schon einmal gemeinsam mit Käthe besucht hatte, s. Brief 3, Z. 33-36 mit Anm. In jenem Brief 3, Z. 95f., hatte Friedel seiner Cousine implizit ein gemeinsames Tanzvergnügen auf der Asse in Aussicht gestellt, für das er die einschlägigen Schritte erlernen wollte. Auch darauf mag sich ihr Bedauern darüber bezogen haben, daß ihr Urlaub auf der Asse nicht mit Friedels Besuch zusammenfallen würde (s.o. Z. 8f.).

8 Zu Käthes Familie s. Einleitung.