Neues von Kirche, Burg und Dorf Weferlingen, Kreis Wolfenbüttel, seit dem Mittelalter

von Falko Rost, Bruchbreite 15, 38173 Dettum

Ausgangspunkt dieser Erhebung ist die ausführliche Dorfchronik „1000 Jahre Weferlingen“ von 1965. (F. Barnstorf) Ohne deren Verdienste zu schmälern soll sie in einigen Punkten hinterfragt und ergänzt werden. Dazu soll mit Hilfe älterer und neuerer Fachliteratur die Entwicklung zum Thema auf den aktuellen Stand gebracht werden.

Die „Schöppenstedter Mulde“ um das Jahr 1000

Das stets kleine Dorf Weferlingen im Landkreis Wolfenbüttel wurde urkundlich erstmalig 1190 erwähnt (GOV 2), ist aber viel älter. Es liegt in der „Schöppenstedter Mulde“ zwischen Elm und Asse.

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Abb. 1: Ortslage Weferlingen von Süden, Stand 6/2022.

Geprägt wurde das dicht und früh besiedelte Arbeitsgebiet durch die überregionalen Handelswege und die ertragreichen Böden. Um 750 bis vor 1000 verlief die Ost- West- Verbindung vom Rhein zur Elbe über Ohrum, Schöppenstedt und Schöningen nach Magdeburg durch das Gebiet. Um 1000 gab es von der entstehenden Stadt Braunschweig, Sitz der brunonischen Markgrafen, unter anderem Handelswege nach Halberstadt (Moderhack) und wahrscheinlich nach Schöppenstedt. Aufgrund der Flurnamenforschung wurde herausgefunden, dass es später zwischen Wegen aus Richtung Wolfenbüttel nach Schöppenstedt und der Heerstraße von Braunschweig nach Osterwieck eine Kreuzung nördlich Weferlingen gab.

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Abb. 2: Karte Siedlungsgeschichte und Verkehrsstraßen zwischen Elm und Asse, aus Hahne.

Sie war ein strategisch wichtiger Knotenpunkt. Um 1000 gab es in Ostsachsen zwei vom König verfügte mächtige Institutionen: Die Grafen, im Arbeitsgebiet die Brunonen, als Vertreter der Königsgewalt. Ferner das Bistum Halberstadt östlich der Oker, zuständig für die Festigung des Christentums, die Kirchenorganisation, auch für Verwaltungsaufgaben. (Märtl 1) Im 10. Jh. war die Pfarrgliederung vollendet, für das Arbeitsgebiet waren je zur Hälfte die Tauf- oder Sedeskirchen Schöppenstedt und Lucklum mit ihren Pfarrsprengeln zuständig. (Erbe, GOV 1) Beide Institutionen verfügten über umfangreiche Grundherrschaften, oft in Streulage. In den Dörfern gab es freie Bauern mit eigenem Land und eigenen Rechten. Überall war Land geistlicher und weltlicher Herren vorhanden, bewirtschaftet von Minderfreien und Hörigen. Soweit erkennbar gab es dabei vielfältige Organisationsformen, so Haupthöfe mit zugehörigen kleineren Höfen (Villikationen) aber auch klein- und mittelbäuerliche Höfe. (Märtl 1, Achilles)

Bezug Weferlingens zur Entwicklung im Herzogtums Sachsen im 10. bis 13. Jahrhundert

In diesem Zeitraum, dem Hochmittelalter und zugleich Stilepoche der Romanik, erfolgte die produktivste Entwicklung der niedersächsischen Kulturlandschaft, auch als Landesausbau bezeichnet. (Meibeyer) Es gab weitgehende Veränderungen von Politik, Bevölkerung, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Soweit das Arbeitsgebiet und Weferlingen davon betroffen waren, werden Ausschnitte der bekannten Fachliteratur zitiert. Dass in Weferlingen und anliegenden Dörfern große Landkomplexe im 12. Jh. unter welfischer Grundherrschaft standen, hat mit dem Aufstieg der Welfenfamilie im Herzogtum Sachsen zu tun. Durch Verbindung seines Vaters Heinrich dem Stolzen mit der Familie Lothars von Süpplingenburg und dem Erbe der Brunonen und Billunger, verfügte Herzog Heinrich der Löwe (1142-1195) über die größte Konzentration von Besitz- und Herrschaftsrechten in Sachsen. Nach seiner Entmachtung 1180 verblieben ihm und seinen Nachkommen Eigengüter und Rechte, die 1235 unter Herzog Otto dem Kind zum Herzogtum Braunschweig erhoben wurden. Nach den Landesteilungen ab 1267 formte sich um die Stadt Braunschweig, im Kernland der Brunonen und Süpplingenburger das spätere Fürstentum Braunschweig- Wolfenbüttel. (Schneidmüller) Ein frühes Ereignis der Veränderungen des Landesausbaues war die Gründung der romanischen Pfarrkirche Weferlingen in der zweiten Hälfte des 12. Jh., der Zeit Heinrich des Löwen. (BuK 3) Die durch geistige, soziale und wirtschaftliche Entwicklung selbstbewusster gewordene Dorfbevölkerung fühlte sich als Gemeinde und konnte sich von dem Pfarrzwang der Archidiakonatskirche Lucklum lösen. Dazu bedurfte es eines einflussreichen Kirchengründers, der, um Patron zu werden, bestimmte Voraussetzungen erfüllen musste. (Erbe, Kurze, Ehlers) Da der Gründer nicht genannt wird, hier die Aufzählung der vermutlich damaligen einflussreichen Landeigentümer (GOV 2): Bischof von Halberstadt zwei Hufen (Hf., 1 Hf. ca. 25 Morgen); das Herzogshaus hatte vor der Verlehnung an von der Asseburg, wohl nach 1249, 12 bebaute Hf. Die Bewirtschaftung dieser Grundherrschaft im 12. Jh., vielleicht als Villikation, kann nur vermutet werden; Kloster Riddagshausen hatte vor 1190 2, dazu ½ und 4 Hf.; Reichsstift Gandersheim hatte vor 1242 1, dazu 4 Hf, dazu 1206 langjährigen Zehntbesitz; Blasiusstift (Domstift) hatte vor 1300 einen Getreidezins und 2 Hf; es hat in Weferlingen auch freie Bauern gegeben (GOV 2), über deren Einfluss nichts berichtet wird. Größter Landeigentümer war das Herzogshaus. Der Besitz der brunonischen geistlichen Stiftung des 11. Jh., Blasius, kann zu dessen Ausstattung seitens der Stifter gehört haben, der des Klosters Riddagshausen zu dessen Förderung durch Heinrich des Löwen.

 

Veränderungen, Weferlingen betreffend im 13./14. Jh.

Die Stadt Braunschweig war seit dem 12. Jh. nicht nur erweitert und zur herzoglichen Residenz ausgebaut worden. Um 1300 hatte das selbstbewusste Bürgertum in großem Umfang Warenproduktion und Handel entwickelt. Bei landwirtschaftlichen Gütern wie Getreide war die Stadt auf die Umgebung angewiesen. Braunschweig erreichte gegenüber der Herzogsgewalt machtpolitische Bedeutung, so erwarb es Rechte und zur Sicherung der Handelsstraßen zahlreiche Pfandschlösser. (Moderhack) Ein Beispiel ist ihr Pfandlehen über Burg und Zubehör Weferlingen von den von der Asseburg 1297.

Bei den Bauten der Burgen Weferlingen und der Asseburg im ersten Drittel des 13. Jh. scheint es einen Zusammenhang zu geben. Die herzoglichen Gefolgsleute von Wolfenbüttel erbauten widerrechtlich 1218 bis 1223 die Höhenanlage Asseburg, nach der sie sich benannten. Herzog Albrecht eroberte und besetzte diese 1258, wobei die von der Asseburg Entschädigung bekamen. (Korf) Das Gründungsjahr der Burg Weferlingen ist unbekannt. Sie wurde als herzogliche (Pischke/Kassuka) Wallburg in unmittelbarer Nähe des strategischen Knotenpunktes nördlich Weferlingens errichtet, geeignet sowohl zur Kontrolle der Handelswege im Arbeitsgebiet (S. Ahlers) als auch als Gegengewicht zur Asseburg. 1249 hatte der Herzog noch über seine Grundherrschaft in Weferlingen verfügt, sie danach an die von der Asseburg verlehnt, die vorher in Weferlingen nicht vertreten waren. Vielleicht als Teil der Entschädigung? Das Lehen umfasste vor 1297 zwei Höfe, sieben Hf., zwei Wurten, die Burg, zwei Lathufen und eine Mühle. Ende des Braunschweiger Pfandlehens von 1297 war wohl 1318, danach waren Burgstelle und 8 Hf. wieder herzogliches Lehen an die von der Asseburg. 1331 erwarb das Kreuzkloster das herzogliche Lehen. (GOV 2)

Die herzogliche Burg, erstmals erwähnt 1266, wurde als „Ringwall mit Fläche“ gebaut. Reste der Wallanlage sind erhalten, der nördliche Bereich soll ca. 1926 eingeebnet worden sein (NLD- Archäologie-FStK) Angenommen wird, dass sie etwa 1223 erbaut wurde. Sie hatte bis etwa 1258 eine herzogliche und bis 1297 vielleicht eine asseburgische Besatzung. Vor 1301 zerstörten die Braunschweiger die Burg, als solche wurde sie fortan nicht mehr genutzt. Die herzoglichen Gefolgsleute von Weferling, ohne dortigen Lehnsbesitz, können ihren Namen als Kastellane der Burg angenommen haben. Im Laufe des 13. Jh. bauten sie als Kleinadlige Lehnsbesitz in Bansleben, Watzum und Groß Vahlberg auf. (H. Barnstorf)

Die Besitzverhältnisse in Weferlingen vom 14. Jh. bis Mitte 19. Jh.

Hier interessiert zunächst die Struktur der Höfe zur Zeit der Ablösungen Mitte des 19. Jh. Jeder nach dem Meierrecht angesetzte Bauer konnte damals dem Grundherren dessen Rechte an Land und Diensten abkaufen. Nach der Agrardepression des 14. Jh. war der Staat seit 1433 am Bestand der Höfe und Erleichterung deren Lasten interessiert. Im 16. Jh. war die Leibeigenschaft der Bauern abgeschafft worden. (Achilles) 1767 gab es in Weferlingen 4 Ackerhöfe, 2 Halbspänner und 4 Kothöfe. (GOV 2) Gemäß Dorfchronik waren es um 1750 durch Einführung der Numerierung der 9 Höfe der Brandkassenversicherung 4 Ackerhöfe, 1 Halbspänner und 4 Kothöfe. (F. Barnstorf) Zulegung von „wüst“ gewordenen Hufen zu den Höfen sind anzunehmen.

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Abb. 3: Dorfgrundriss Weferlingen um 1767, aus : Ortschronik 1000 Jahre Weferlingen F. Barnstorf.

Die Ortsskizze der o.a. Dorfchronik zeigt den damaligen Zustand von Kirche und Burg und bietet die Anordnung der Höfe, deren Grundherrschaften meist bis auf das Mittelalter zurückreichen. Im zugehörigen Text werden die 9 Höfe mit ihren Grundherrschaften beschrieben. Durch Verkauf, Tausch oder Zusammenlegung haben sich die Grundherrschaften und Höfe des 12. Jh. seither verändert wie folgt: die des Bischofs von Halberstadt und des Klosters Riddagshausen sind nicht mehr bekannt. Das Gleiche gilt für den Besitz der freien Bauern. Mitte 19. Jh. war größter Grundherr das Kreuzkloster, das 1268 Besitz hatte und seit 1331 über das frühere herzogliche Lehen verfügte. Ihm unterstanden die Ackerhöfe Nr. 1 und 3, Anteile von Halbspännerhof Nr.2, Anteile von Kothof Nr. 8, Kothof Nr.9 und Kothof Nr.4 die Mühle. Das Reichsstift Gandersheim (Propstei Gandersheim) hatte Anteile von Kothof Nr. 8. Der Halbspännerhof Nr. 6 bestand aus dem Kothof der Kirche und dem zugefügten wüsten Hof des Blasiusstiftes. Das Ägidienkloster hatte Anteile vom Halbspännerhof Nr. 2. Das Kloster Diesdorf/Altmark hatte seit 1451 und 1566 den Ackerhof Nr. 5 „Großer Hof“, den späteren Schriftsassenhof, Besitzer 1865 Ludolph von Münchhausen. Das Cyriakusstift hatte seit 1658 den Ackerhof, später Kothof Nr. 7. (GOV 2)

Sollte sich herausstellen, dass der Herzog im 12.Jh. Kirchengründer war, so ist Lage und Umfang der Höfe seiner Grundherrschaft von Interesse. Gemäß Ortsskizze bilden alle, später ganz oder teilweise dem Kreuzkloster gehörenden Höfe außer Nr. 6 einen geschlossenen Komplex östlich des Hofes Nr. 3. Zu letzterem gehörte auch grösstenteils die Burgstelle. In dem Komplex, wohl dem älteren Dorfteil, liegt nördlich die Kirche A, darunter das spätere Pfarrwitwentum C. So könnte es sein, dass der Kirchengründer die von ihm zu erbauende Kirche (Erbe) auf seinem Grund und Boden errichtet hat.

Die romanisch-gotische Pfarrkirche St. Mauritius des Mittelalters

Die Pfarrkirche St. Mauritius oder St. Urbanus wurde laut kunstgeschichtlichem Befund (BuK 3) in der zweiten Hälfte des 12. Jh. gegründet. Sie wurde 3/1944 durch Bomben zerstört. Einen Bernd perner gab es 1377. 1542 und 1551 war sie verbunden mit Groß Vahlberg, 1568 versehen als Filial von Eilum. Das Patronat der Kirche hatte 1566 die Familie von der Asseburg, 1767 der Herzog. (GOV 2) Obwohl einiges darauf hinweist, dass aufgrund der Besitzverhältnisse des 12. Jh. der Herzog Kirchengründer war, wird er als Patron nicht genannt. Zum Beispiel wurde ein größeres herzogliches Lehen samt dem Kirchenpatronat 1475 an die Ministerialenfamilie von Weferling in Bansleben vergeben. (GOV 1) Ein solcher Vorgang ist nicht in Weferlingen Mitte des 13. Jh., mit dem herzoglichen Lehen an die von der Asseburg bezeugt. Auch nicht mit dem Übergang des Lehens 1331 an das Kreuzkloster. Zur Pfarrkirche Eilum gehörte 1562 und 1568 das Filial Weferlingen, das Eilumer Patronat hatten die von der Asseburg seit 1466 als brandenburgisches Lehen. (GOV 1) Nachdem es offenbar in Weferlingen keinen Anspruch auf das Patronat gab, ist es denkbar, dass das Eilumer Patronat 1566 auf das Filial Weferlingen übertragen wurde. Die Frage nach dem Kirchengründer in Weferlingen bleibt somit weiterhin unbeantwortet.

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Abb. 4: Weferlingen, Grundriss der alten Kirche Weferlingen 1906, aus: BuK 3.

Die mittelalterliche Kirche bestand gemäß Grundriss und ausführlichem Text 1906 (BuK 3) aus dem romanischen Teil mit den separaten Abschnitten Turm, Schiff und Chorquadrat, dazu die vermutete Apsis. Das Schiff hatte zwei rundbogige Portale, je eines Nord (vermauert) und Süd dicht am Turm. Ein Rundbogen verband Turm und Schiff, ein vermuteter Chorbogen Schiff und Chorquadrat. Im oberen Teil der Ostwand des Turmes befanden sich zwei Rundbogennischen, vielleicht zum Schiff geöffnet. Das deutet auf einen „Emporenturm“ (Erbe) hin, wie er in Archidiakonatskirchen vorkommt. Gemäß den Kapitälen der Säulen in den Schallöffnungen des Turmes wird der Kirchenbau aus der zweiten Hälfte des 12. Jh. gefolgert. In gotischer Zeit, wohl dem 15. Jh., wurde der Chor mit geradem Schluss verlängert und vielleicht überwölbt. Damals könnte auch der Vorbau des aufwändigen Portales Süd, genannt Leichenhaus, entstanden sein, das 1857 abgebrochen wurde. (LAW, OA Weferlingen 7)

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Abb. 5: Weferlingen, alte Kirche von Südost 1906, aus: BuK 3.

Die romanische Urkirche entsprach dem häufigen Bautyp 2 mit der „Additiven Raumkombination“ (Klettke), wie er z.B. noch in Kneitlingen erhalten ist. Das 1906 einheitlich über Schiff und Chor reichende Dach bestand wohl früher, wie in Kneitlingen, (BuK 3) aus dem höheren Schiffdach vom Turm zum Giebel über dem Chorbogen und dem niedrigeren Chordach. Zum Altardienst dienten im Chorbereich drei Nischen, von denen die Spitzbogige der Ostwand aus einem Block gefertigt war. An künstlerischer Innenausstattung gab es den gotischen Altarschrein aus dem Ende des 15. Jh. (damals an der Südwand).

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Abb. 6: Flügelaltar aus dem 15. Jh. 1906, zerstört 1944, aus: BuK 3.

Ferner die bemalte Kreuzigungsgruppe aus der Zeit um 1500, einst auf dem Triumphbalken im Chorbogen. (damals an der Nordwand).

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Abb. 7: Kreuzigungsgruppe aus dem 15. Jh., 1906, aus: BuK 3.

Die Darstellung der Kapitäle der Schallöffnungen im Text. (BuK 3) Nicht erwähnt waren die schlichte Kanzelaltarwand Emporen Süd und West (F. Barnstorf) und die historistische Innenvermalung.

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                           Abb. 8: Innenansicht Südost mit Kanzelaltarwand 1858, Archiv Dr. Henning Barnstorf.

Am 15.3.1944 wurden Kirchenschiff und Chor durch Sprengbomben zerstört, der baufällige Turm musste 1946 gesprengt werden. (F. Barnstorf) Alle Einrichtungsgegenstände lagen unter den Trümmern, hauptsächlich Teile der Kreuzigungsgruppe konnten sofort geborgen werden. Bis 1948 räumte die Gemeinde die Trümmer, brauchbare Steine wurden eingelagert, der Bauschutt abgefahren. (LAW, OA Weferlingen 4)

Der Neubau der Kirche 1957

Einige mit der Trümmerräumung und der Neubauplanung verbundenen Ereignisse sollen hier erwähnt werden. 3/1948 wurde unter Beteiligung vom Leiter des Baureferates Prof. Friedrich Berndt protokolliert, dass die erhaltene romanische Altarplatte mit geschlossenem Reliquienbehälter beim Aufbau der Kirche verwendet werden solle. Vor dem Altarplatz war ein Grab gefunden worden. (LAW, OA Weferlingen 4) Der Schädel aus diesem Grab, der 1950 wieder am alten Ort bestattet wurde, hat sich nach Hinweisen als der des Pfarrers Jacob Ehrenreich Gilbert, gestorben zu Eilum 5/1668 herausgestellt. (Seebaß/Freist) Die o. a. erwähnten Säulenkapitäle gingen im Zuge der Turmsprengung verloren. Die Reste des Südportales, die 1965 auf dem Friedhof vorhanden waren, sind nicht aufzufinden. (F. Barnstorf)

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                   Abb. 9: Südportal mit Hochzeitsfoto Lisa und Fritz Barnstorf, Stand 1934, Archiv Dr. Henning Barnstorf.

 Vom Verbleib der erhaltenen, im Neubau nicht wieder verwendeten Altarplatte, gibt es keine Nachricht. Schon 12/1948 wurde vom Stadtkirchenbauamt Braunschweig der Entwurfsplan zum Wiederaufbau der Kirche vorgelegt. Es war an zwei Ausbaustufen gedacht, 1. Eine Kapelle mit Anbau für die Sakristei und kirchliche Veranstaltungen, 2. Ein Westturm mit Leichenhalle im Untergeschoss. Das Projekt ähnelte der alten Kirche und sollte die Verbundenheit mit dieser darstellen.

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   Abb. 10: Grundriss und Ansicht Süd, nicht ausgeführtes Projekt Wiederaufbau Kirche Weferlingen, Stadtkirchenbauamt   Braunschweig 18.12.1948.

 Zu einer positiven Stellungnahme des Kirchenvorstandes und Verwirklichung des Projektes kam es nicht, indessen wurde die Restaurierung der Kreuzigungsgruppe vom Landeskonservator vorbereitet. 6/1956 beschlossen Landeskirchenamt und Synode, Mittel zum Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Das Baureferat des Landeskirchenamtes unter Leitung von Oberbaurat Prof. Berndt erstellte den Entwurf der schlichten, aber in harmonischen Proportionen gehaltenen Rechteckkirche mit kleinem Dachreiter und Aussegnungshalle.

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                                     Abb. 11: Neubau Kirche Weferlingen 1957, Ansicht Nordwest, Stand: 2/2022.

Der Bau wurde umgehend begonnen, am 13.12.1957 fand der Einweihungsgottesdienst statt. Die restaurierten Figuren der Kreuzigungsgruppe, als „beachtlich, Ende 15. Jh.“ bezeichnet, (Dehio) konnten der Kirchengemeinde erst 4/1962 zugestellt und auf dem Altar angeordnet werden. (LKA, Hauptregistratur, Bd. I 1950) Außer der Kreuzigungsgruppe war noch die o.a. Spitzbogennische aus den Trümmern gerettet worden, sie wurde im Vorraum aufgestellt. Neben der Schilderung der Einrichtungen der neuen Kirche erwähnte der Autor der Dorfchronik, (F. Barnstorf) dass 1944 von dem Flügelaltar eine schwer beschädigte Apostelfigur geborgen werden konnte. Nach der Restaurierung sollte sie der Kirche zurückgegeben werden.

Weitere Kunstwerke im Kirchenraum seit 1965

Mit der Kreuzigungsgruppe auf dem Altar an der Ostwand hatte der Kirchenraum einen zentrierten künstlerischen Höhepunkt. Für eine Dorfkirche war das schon etwas Besonderes. 1988 ergab sich für die Kirchengemeinde Weferlingen die Möglichkeit, zwei der sechs, der Kirchengemeinde Eitzum gehörenden und bei der dortigen Kirchenrenovierung nicht eingeplanten Gemälde zu übernehmen. (Rost) Die großformatigen Gemälde mit Motiven aus dem Leben Christi gehörten zu dem Zyklus von zehn Rokoko- Gemälden, von denen Pfarrer Wilhelm Lerche 1871 sechs der Eitzumer Kirche geschenkt hatte. Ab 1988 konnten die mittlerweile teils desolaten, aus der Mitte bis zur zweiten Hälfte des 18. Jh. stammenden, qualitätvollen Gemälde restauriert werden. Die Kirchengemeinde Weferlingen war an kirchlicher Kunst zur weiteren Aufwertung ihres als schlicht empfundenen Kirchenraumes interessiert. 1989 konnten, nach Zuzahlung der Restaurierungskosten, zwei der sechs Gemälde als Dauerleihgabe von Eitzum übernommen und 9/1991 mit großer Wirkung an der Ostwand angebracht werden. Es handelt sich um die Motive “Jesus bei Maria und Martha“ links, und „Der Auferstandene (Noli me tangere)“ rechts vom Altar.

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                              Abb. 12: Innenansicht Chorraum Kirche Weferlingen mit Gemälden, Stand 2006.

Der Inhaber des Hofes Nr. 3, Kirchenvorsteher Wilhelm Barnstorf, (geb. 1902, gest. 1954) hatte sich seit 1944 nicht nur bei der Bergung der verbliebenen Gegenstände und 1948 bei der Trümmerräumung beteiligt. Er bewahrte das einzige Fragment des zerstörten gotischen Altaraufsatzes, die ca. 40 cm hohe Lindenholzfigur, eine der Figuren der 12 Apostel aus den Seitenflügeln, siehe Abb 6, rechter Flügel unten links. (BuK 3) Später übergab er die Figur seinem Bruder, dem Autor der Dorfchronik Dr. Fritz Barnstorf/Königslutter, (geb.1901, gest. 1982) bei dem sie in Vergessenheit geriet. Dessen Sohn, Dr. Henning Barnstorf/Braunschweig fand die Figur 2017 im Nachlass seiner Eltern und bereitete die Rückgabe an die Kirchengemeinde vor. (Presse) Wegen des fragmentarischen Zustandes der Figur erreichte Kirchenverordnete Eva Isenberg die fachkundige Hilfe der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim (HAWK). Dort wurde die Rekonstruktion des mittelalterlichen Zustandes der Apostelfigur Jacobus des Älteren ausgeführt. Im Festgottesdienst am 26.9.2021 mit Vorträgen von Dr. Henning Barnstorf und Alice Orthmann (HAWK) wurde die Figur der Kirche Weferlingen übergeben, sie soll einen Platz an der Südwand des Chorbereiches bekommen.

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                                         Abb. 13: Detail Figur Jakobus der Älteren, restauriert, Stand: 4/2022.

 

Literatur

(Quellen von grundsätzlicher Bedeutung mit ihren Kurzbezeichnungen.)

Barnstorf, Fritz Dr. med.: Weferlingen-Aus der tausendjährigen Geschichte eines kleinen Dorfes. Hg: Gemeinde Weferlingen.- Braunschweig 1965. (F. Barnstorf).

Kleinau, Hermann: Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, Bd. A-K. - Hildesheim. 1967. (GOV 1); Bd. L-Z. - Hildesheim, 1968. (GOV 2).

Moderhack, Richard: Geschichte der Städte, Braunschweig 153. In: Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins 1976. (Moderhack)

Achilles, Walter: Siedlungs- und Agrargeschichte. In: Braunschweigischer Geschichtsverein wie vor.-Braunschweig 1976. (Achilles)

Ehlers, Joachim: Der niedersächsische Raum als historische Landschaft. In: Wege in die Romanik. Hg: Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Bd.1. -Hannover 1996. (Ehlers)

Meibeyer, Wolfgang: Zur Kulturlandschaftsentwicklung im niedersächsischen Raum vom 10.-13. Jahrhundert. In: Wege in die Romanik wie vor.-Hannover 1996. (Meibeyer)

Hahne, Otto: Siedlungsgeschichte und Verkehrsstraßen zwischen Elm und Asse aufgrund der Flurnamen. In: Nds. Jahrbuch 1942 (Ns.JbLG) 19.1942. (Hahne)

Barnstorf, Heinrich Dr.: Zur Geschichte des Geschlechtes von Weferling von 1233-1775. I.Teil Bis zum Jahre 1400. In: Braunschweigisches Jahrbuch 1970. (H. Barnstorf)

Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig: Meier, Paul Jonas, z. T. Steinacker, Karl: Bd. 3, Kreis Wolfenbüttel.- Wolfenbüttel, 1906. (BuK 3);

Erbe, Michael: Studien zur Entwicklung des Niederkirchenwesens in Ostsachsen vom 8. bis zum 12. Jahrhundert. - Göttingen 1969. (Erbe)

Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler- Bremen Niedersachsen, München Berlin 1992. (Dehio).

Kurze, Dietrich: Pfarrerwahlen im Mittelalter, ein Beitrag zur Geschichte der Gemeinde und des Niederkirchenwesens.-Köln/Graz 1966. (Kurze)

Klettke, Herbert: Die Entwicklung der mittelalterlichen Kleinkirchenarchitektur, Diözese Hildesheim. In: Jahrbuch (Jb) der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 57. Bd.- Hannover 1959. (Klettke).

Landeskirchenamt Wolfenbüttel: Bauakten Ref. 41 (LKA, Ref. 41); Bauakten Hauptregistratur. (LKA, Hauptreg.)

Landeskirchliches Archiv Wolfenbüttel, darin: Ortsakten Kirchen Bansleben, Eilum, Kneitlingen und Weferlingen. (LAW OA), sowie Corpora bonorum der Kirchen. (LAW Corpora)

Märtl, Claudia: Die ostsächsische Frühzeit und die Ottonen (8. Jh. bis 1024), (Märtl 1) sowie: Ostsachsen zur Zeit der Salier (1024 bis1125. (Märtl 2) In: Die Braunschweigische Landesgeschichte-Jahrtausendrückblick einer Region. Hg: Horst- Rüdiger Jarck und Gerhard Schildt.-Braunschweig 2000.

Schneidmüller, Bernd: Die neue Heimat der Welfen (1125-1252). In: Braunschweigische Landesgesch-ichte, Braunschweig 2000 wie vor. (Schneidmüller)

Korf, Winfried: Die Herren von der Asseburg. Hg: Heimat-und Verkehrsverein „Asse“ eV., Wittmar. Nicht datiert, wohl vor 1993. (Korf)

Pischke, Gudrun und Kassuba, Fred: Karte Mittelalterliche Burgen ca. 750-1050, 1050-1250, 1250-1500 zum Aufsatz Ritter- und Bürgerkultur von Beatrice Marnetté. In: Braunschweigische Landesgeschichte, Braunschweig 2000 wie Märtl. (Pischke/Kassuba)

Ahlers, S.: Topographisch-archäologische Untersuchungen zu ur- und frühgeschichtlichen Befestigungen in den Landkreisen Gifhorn, Helmstedt und Wolfenbüttel (besonders 343-345 Nr. 150)-Hamburg 1988. (Ahlers)

NLD-Braunschweig Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. Schreiben vom 7.2.2022 mit Unterlagen betr. Burg Weferlingen. (NLD- Archäologie-FStK)

Seebaß, Georg und Freist, Friedrich-Wilhelm: Die Pastoren der Braunschweigischen Evangelisch-Lutherischen Landeskirche seit Einführung der Reformation, Bd. 1. S. 77 Eilum (und Weferlingen). -Hg: Landeskirchenamt Wolfenbüttel 1969. (Seebaß-Freist)

Rost, Falko: Die zehn rätselhaften „Lerche-Bilder“. In: Braunschweigische Heimat, Braunschweigischer Landesverein Geschichte. Heimat. Natur, 101. Jahrgang, Ausgabe 2/2015. (Rost)

Wolfenbütteler Schaufenster, 17.10 2021: Rückkehr der Altarfigur Jakobus des Älteren aus dem 15. Jh.- Wolfenbütteler Zeitung, 26.10.2021: Odyssee einer Altar-Figur: Jakobus´ Weg nach Weferlingen. (Presse)

Anmerkungen

Für die Digitalisierung und Bearbeitung der Abbildungen herzlichen Dank an Friederike Mischke, LAW. Die Abbildungen sind mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt von: Abb. 1, 11 und 13: Dr. Helga Miehe.- Abb. 8 und 9: Dr. Henning Banstorf. – Abb. 10 und 12: Erlaubnis LKA, Ref. 41. – Einen besonderen Dank an Dr. Henning Barnstorf/Braunschweig für die Erstellung des Layouts und Aufnahme des Aufsatzes in seine Website. Ferner für Öffnung seines Archives und frdl. Auskunft über seine Familienchronik und Genealogie. Drei Generationen seiner Familie haben sich als Landwirte des Ackerhofes Nr.3 stets für die Kirche Wefer-lingen eingesetzt. Der Hof wurde nach dem Tod von Wilhelm Barnstorf 1954 von dessen Ehefrau Dorelies bewirtschaftet. Nach deren Tod 1973 wurde er, da es keinen Hoferben gab, verkauft und steht jetzt verlassen da.

Aus Veröffentlichungen übernommene Abbildungen: Abb.2: aus Literatur: Hahne.- Abb. 3: aus Literatur: Ortschronik 1000 Jahre Weferlingen, F. Barnstorf.- Abb. 4,5,6,7 aus Literatur: BuK 3.-

Dettum, 28.6.2022, Falko Rost