Brief, hschr., schwarze Tinte auf anderthalb Seiten, die ein Blatt recht dicken Papiers einnehmen; Format wie Brief 3; kein Um­­schlag. Vermutlich zusammen mit Brief 4 vom 15. April 1923 verschickt (s. Anm. 1).

Degerloch, 28. April 1923.

 Liebe Käthe!

Es ist gut, daß <Du> einmal schriebst, lieber, böser Junge. Aber diesmal dürftest Du wohl nur vom bösen Jungen Gebrauch machen.

5 Du siehst ja am Datum wann ich den ersten Brief schrieb. Hab ihn aber dann nicht abgeschickt weil ich’s nicht konnte d. h. weil mir der Brief furchtbar kurz und so wenig sagend vorkam.1 – Aber man kann nicht immer so plaudern wie man auch möchte. Es kam in letzter Zeit so vieles 8 dazwischen, Unangenehmes was einem viele Gänge in die Stadt erforderte und so ist’s eben liegen geblieben. Das soll absolut keine Entschuldigung sein, aber manchmal kann man eben einfach nicht schreiben was man möchte.

11 Einen Abend in Deinem so lauschigen Zimmer sitzen können und dann plaudern und einander erzählen.

Ich könnte so gut jemand gebrauchen mit dem ich den einen und andern Gedanken teilen möchte. Manchmal │ ist in uns das Bedürfniß jemand zu haben mit dem man über alles sprechen könnte, stark. Flügel hat man ja keine, gewiß aber eine Post welche Briefe hin und her befördert. Ja, ich weiß es. Ich habe auch schon Zeiten gehabt in denen ich schrieb, viel schrieb, und deßhalb ist es jetzt weniger geworden, ich weiß nicht.

Du mußt es schon so nehmen Käthe, sei mir nicht bös deßhalb. Aber für heute sollst Du auf alle 19 Fälle endlich den letzten Brief haben.

Dein Friedel.

Anmerkungen

1 Dies bezieht sich vermutlich auf Brief 4 vom 15. April 1923, der in der Tat eher ein Stimmungsbild gibt, als viel zu erzählen. Indem aus jenem Stimmungsbild bei aller Betonung der Wichtigkeit schöner Erinnerungen – ja, gerade auch wegen dieser Betonung – eine gewisse Gedrücktheit, Einsamkeit und Melancholie sprechen, paßt es inhaltlich zum vorliegenden Brief, der «Unangenehmes» erwähnt (Z. 8), wiederum ohne konkreter zu werden, und erneut ein starkes Bedürfnis nach Nähe und Gespräch artikuliert. Zwar ist nicht gänzlich auszuschließen, daß es sich bei dem hier mitgeschickten «ersten» (Z. 5) bzw. «letzten» (Z. 19) Brief um einen uns nicht überlieferten handelt, der zeitlich zwischen Brief 4 und dem vorliegenden einzuordnen wäre. Die Kürze der zwischen den beiden verstrichenen Zeit, gerade einmal dreizehn Tage, macht das aber unwahrscheinlich.