Brief, hschr., schwarze Tinte auf sechs Seiten, die drei Blatt gerippten, doch ausnehmend glatten, linierten Pa­piers von kleinerem Format (20,9×27,7 cm) als das bisherige umfassen; die Linien zartgrau und je links auf der Seite ein durchgezogener Rand von 4 cm, in den Vf. lediglich ganz oben und unten auf der er­sten sowie durchgängig auf der letzten Seite hineingeschrieben hat. Kein Um­­schlag. Zwei Postkarten als annoncierte Beilage (s. Z. 13-15 mit Anm.en). Der Brief wurde erst zusammen mit dem folgenden Brief 15 vom 6. März 1925 ab­geschickt (s. dort).

Permanente Adresse: Consulado Suizo, Lima.1

 Chiclayo, Casilla 27, den 9. Febr. 1925.

 eine liebe Käthe!

Es ist wieder lange geworden diesmal. Zwei Briefe erhielt ich von Dir, einen vom 12. Nov. und einen andern vom 21. Nov.; in diesem andern war Dein Weihnachtsgruß drin! Du, liebe Käthe, sag wie soll ich Dir danken, der böse Junge hat’s ja garnicht verdient, aber gefreut hat es ihn doch. Daß ich in den Heimgarten zurückgehe ist ziemlich sicher; nur der genaue Zeitpunkt noch nicht festgelegt. Dann kann ich Dir besser danken Käthe, wenn ich Dich in Beienrode besuche. Ich hoffe es daß es dazu reichen wird.

10 Von Onkel Wilhelm und Tante Helene kam letzthin wieder ein Brief worin mir gesagt2 wird, ich möchte sofort mit dem nächsten Dampfer zurück da sie (die Heimgärtner) nicht noch mal einen Sommer ohne eine junge Kraft durchmachen {wollen.} 12

3Beilage

1 Karte von Patapo.4

1 " " Chiclayo5

16 Die im Heimgarten haben mit ihren Angestellten stets Unglück; einmal werden dieselben fortgejaget6 oder werden arbeitsunfähig und krank, wie der jetzige7 Melker den sie hatten. Jetzt müßen die Onkels eben solange alles allein machen bis wieder jemand angestellt ist. Aber die 19 Leute können sich ja auch mit keinem Angestellten vertragen. – 19 Ich aber möchte wenigstens noch ein Jahr hierbleiben und erst nächsten Sommer d.h. Frühling kommen, um mir wenigstens bis dahin ein kleines Taschengeld zu verdienen und meine Studiumsschulden8 abzuzahlen. Dann kehrt man wenigstens wohl zurück. Es wird schwer sein den Heimgärtnern das klar zu machen daß ich mich wohler fühlen <würde>, hier soviel verdient zu haben um alles abzahlen zu können und dann zurück kehren. Wenn ich bis nächsten Frühling (1926) ║2║ hier bleiben könnte, dann kann ich alles erledigen was nötig ist. Ich werde dieser Tage in den Heimgarten schreiben. Ich hab jetzt erst seit zwei Monaten Stellung und fange erst an zu verdienen und so müßte ich ja nächsten Monat schon zurückfahren. Dann9 würde das bis jetzt verdiente <Geld> kaum für die Reise reichen. Das geht nicht. Wenn die Heimgärtner in solchen Fällen nur etwas mehr Verständnis hätten. 29

30 10Seit Dezember bin ich auf der Hacienda Patapo, eine<r> Zuckerrohr-Hacienda, wo es mir sehr gut gefällt. Ich vermesse hier Landstücke und mache die Pläne dazu. Also eigentlich mehr Geometer aber eine schöne Arbeit. Von der Hacienda habe ich genügend Pferde zur Verfügung sodaß [sic] ich {fast} jeden Tag der Woche ein anderes und somit frisches Tier habe. Zwei Muchachos (Burschen) Halbindianer │ helfen mir bei den Vermessungsarbeiten. So reiten wir dann morgens in der Frühe hinaus, meine beiden muchachos bring{en} die Apparate auf ihren Pferden nach – und die Arbeit beginnt. Je nach Entfernung gehts ½ bis 1 Stunde zu Pferde bis zum Arbeitsplatz. Dann bleiben wir auf dem Feld bis kurz nach Mittag dann gehts heimwärts.

Umziehen, Baden, Essen ist11 dann die Reihenfolge. Und Nachmittags [sic] zeichne ich meist etwas oder reite nochmals in’s Feld um für den folgenden Tag mir verschiedenes vorzumerken. Ich habe so meine eigene Arbeit, und kann sie mir einteilen wie ich will. Heiß ist’s jetzt im Sommer, die Sonne brennt kolossal, man spürt die nur 7° südwärts vom Äquator, aber bis jetzt ist mir alles sehr gut bekommen und ich fühle mich wohl dabei.

║3.║ <Die> Wohnung <bekomme ich> auch von der Hacienda, nur für’s Essen muß ich selbst sorgen. Ich habe wie die andern ledigen Angestellten eine Köchin (so eine halbschwarze, eingeborene) und einen Burschen für Ausg{änge12} mir angeschafft und so wird gelebt. Manchmal schmeckts sehr spanisch oder besser gesagt peruanisch aber schnell hat man sich an gewisse Unterschiede gewöhnt. Es geht also ganz gut.

49 13Himmel und grüne Zuckerrohrfelder durch die sich die Feldbahnen schlängeln. Hinter der Fabrik (siehe Karte)14 liegt das Dorf oder auch die Arbeiterwohnungen man siehts auf der Karte nicht da durch Bäume verdeckt, aber es ist ganz ansehnlich den<n> ca. 3000 Arbeiter wohnen dort mit ihren Familien und einem zahlreichen Nachwuchs. 52 Es wird sehr viel gearbeitet auf diesen großen Hacienden und der Arbeiter verdient wenig, gerade zum Leben, aber doch │ sind die Leute froh dabei.

Samstag wenn Zahltag ist, wird die ganze Nacht durch getanzt, schlafen kann man da nicht gut wegen der Musik Volkstänze peruanisch wobei Mann und Frau mit dem Taschentuch in der Hand schwingend[?] um einander, herum15 tanzen (bis sie fast umfallen)16 Aber immer peitscht die Musik von Neuem [sic] auf. dazu17 „Chicha“ (dickes bräunliches Volksgetränk aus Mais, sehr berauschend)18 Aber sehr wenige Betrunkene sieht man in Peru, fast keinen. Wochentags müßen die Arbeiter um 4 Uhr aufstehen und arbeiten mit einer Mittagspause bis abends oft bis in die Nacht. Die Leute leisten sehr viel, wir könnten das nicht. Aber die Hacienden verdienen auch sehr viel. Zuckerrohr ist gutes Geschäft im Durchschnitt mit 20% Netto Reingewinn im Jahr, also in einigen Jahren ist das ganze19 Kapital draußen20

Da dürfen ruhig mal schlechte Jahre kommen, das spürt man nicht.

Für diesmal Schluß. Es war kurz. Ich habe noch ziemlich zu tun. Sei viel herzlich mal [sic] gegrüßt

von Deinem Friedel der an Dich denkt.

Anmerkungen

1 Am oberen Seitenrand über die gesamte Seitenbreite einschließlich Rand geschrieben.

2 Folgt durchgestrichenes ‘g’.

3 Die folgenden drei Zeilen am Fuß der ersten Seite links in den Rand hineingeschrieben.

4 Pátapo ist wie Pimentel (s. Brief 13/Anm. 6) einer der zwanzig Distrikte der Provinz Chiclayo, die ihrerseits zum Departement Lambayeque (s. Brief 11/Anm. 2) gehört, in dem Friedel sich seit Juni/Juli 1924 aufhielt (s. Brief 11, Z. 1ff.). B14 2B14 3Bei der Karte handelt es sich um eine Schwarzweiß-Postkarte aus festem Karton, auf deren unterem weißen Rand «Vista Panoramica de la Hacienda Patapo, Peru» [fehlende Akzente sic] eingeprägt ist, d.h. «Panorama der Hacienda Pátapo, Peru». (Eine Karte mit exakt demselben Motiv findet sich im Internet, dort mit leider seitenverkehrtem Stempel vom – soweit entzifferbar – 22. November 1933.) Friedel hat zur Erläuterung diverse hschr. Eintragungen, jeweils mit Verweispfeilen versehen, ins Bild gesetzt. Zu dem im Hintergrund mächtig aufragenden Bergmassiv schreibt er: «Die letzten Ausläufer der Küstenkordillere.». Die in der Ebene davor sich erstreckenden niedrigen Fabrikgebäude mit hohen Schornsteinen kommentiert er nicht, sondern zeigt mit drei Pfeilen auf Baumgruppen in der linken Bildseite, hinter denen die für Käthe interessanten Gebäude verborgen liegen (s. a. unten Z. 49-52), v.l.n.r.: «wo meine Wohnung ist (Angestelltenhaus)», «Hauptgebäude (Besitzerwohn<un>g) und Büros», «weiteres Angestelltenhaus». In den unteren weißen Bildrand hat er hschr. gesetzt: «Chiclayo bis Patapo: Bahn 1½ Stden; Auto 40 Minuten. {wenden!}» Auf der Rückseite dann, die als handelsübliche Postkarte mit Anschrifts- und Briefmarkenfeld gestaltet ist und links quer den Photographen- oder Vertriebsnamen «M. C. del Castillo S.» trägt, schöne Handzeichnung Friedels in schwarzer Tinte von der Landschaftsformation und Lage diverser Orte und Haciendas um Chiclayo samt Entfernung zur nächstgrößeren Stadt Trujillo im Süden (ganz unten auf der Zeichnung); dazu in Bleistift quer zum Adreßfeld die Erläuterung: «Patapo u. Pucalá gehören zusamen [Überstrich über ‘m’]. Pomalca, Tumán [fehlendes Komma sic] Saltur, Cayalti etc. alles Zuckerhacienden [fehlendes Satzzeichen sic] Ferreñafe ist Reisgegend». Darunter wieder mit Tinte Friedels «Legende» mit den Symbolen für «Eisenbahn» und «Autoweg». Wie Friedel sagt, gehörten die Haciendas Pátapo und Pucalá zusammen, wenn auch erst seit Mai 1924, als die Sociedad Agrícola Pucalá Grund und Boden der relativ modernen Zuckerfabrik Pátapo sowie einiger anderer Hacienden erwarb.

5 B14 1Zu Chiclayo s. Brief 11, Z. 5f. mit Anm. Die Karte ist von derselben Art wie die zu Pátapo und trägt auf dem unteren weißen Rand die Aufschrift «Vista Panoramica de Chiclayo, Peru» [fehlende Akzente sic]. Auch hier hat Friedel zwei mit Erläuterungen versehene Pfeile ins Bild gesetzt; links unten auf das letzte im Bildrahmen erfaßte, recht provisorisch wirkende zweistöckige Häuschen weisend, das an einer dichtbebauten, schnurgerade in den Bildhintergrund führenden Straße liegt: «Unsere Wohnung in Chiclayo»; und oben auf eine Hügelkette am Horizont gerichtet: «hinter dem Hügel liegt schon das Meer». Die Rückseite ist unbeschriftet.

6 Lesung nicht ganz eindeutig; auch «fortgejagd» ist möglich.

7 Sinnvoller wäre im Kontext: «der letzte Melker(, den sie hatten)»; «jetzige» vielleicht unbewußte Vorwegnahme des folgenden Satzanfangs.

8 Zu diesen Schulden etwas einläßlicher Brief 16, Z. 13-15.

9 Der Anfangsbuchstabe kaum sichtbar.

10 Einzug sic.

11 Es folgt ein nicht mehr auf die Zeile passendes Wort oder Wortanfang, durchgestrichen.

12 Dieser unter der Zeile eingefügte Wortbestandteil nur schwach lesbar.

13 Einzug sic.

14 s.o. Anm. 4.

15 Es folgt längerer schräger Strich, den man sowohl als (hier allerdings unpassenden) Gedanken- wie auch als (hier eigentlich unüblichen) Binde- oder schließlich als zum Anfangsbuchstaben des Folgewortes gehörenden Aufstrich interpretieren kann.

16 Fehlender Punkt am Satzende sic.

17 Kleinschreibung am Satzanfang sic.

18 Fehlender Punkt sic.

19 Tintenfleck über ‘g’.

20 Hier ist das Seitenende erreicht; Fortsetzung quer auf dem linken Rand. Fehlender Punkt sic. – Ist aber nicht eigentlich ‹drinnen› gemeint? In dem Sinne, daß man in wenigen Jahren das investierte Kapital wieder eingenommen hat?