Brief, hschr., schwarze Tinte auf zwei beidseitig beschriebenen Blättern desselben Papiers wie Brief 24; der linke Rand jeweils freigelassen außer auf der letzten Seite, wo er quer beschrieben ist mit dem Briefende. Dazu fünf Photographien (s. Z. 5-7 mit Anm.). Kein Umschlag.
Corire (Majes) via Arequipa, Peru.
den 16. April 1931.
Meine liebe Käthe!
Zuletzt schrieb ich Dir am 24.2. und legte Dir auch eine Skizze meines Wohnhäuschens bei. Inzwischen sind auch die Aufnahmen von der damaligen Reise nach Juliaca, Ayaviri, in die Hochebene von Peru, fertig geworden, und kann ich Dir heute nun einige beilegen.1 Deinen Brief vom 11. Februar erhielt ich am 17. März und schon wieder ist ein Monat herum. Allerdings nur einer; zeitweise bessere ich mich. Du schriebst mir zuletzt vom Besuch <von> Onkel und Tante aus dem Heimgarten bei Euch und von den netten Tagen die ihr [sic] alle zusammen verlebt habt.2│
3Die Aufnahmen von denen Du schreibst, die Du bei Tante Helene gesehen hast, reife Baumwolle, Weintrauben und so ähnliches, hat ein deutscher Angestellter in San Vicente gemacht, der dortige Ingenieur;4 der auch dann und wann mich hier in Maran besucht. Ich werde sehen noch einige zu erhalten.
Die Baumwollernte ist nun bei uns in vollem Gange und dauert bis August-September. 16 Im März war auch die Weinernte und sind meine verschiedenen Weine bald klar,5 sind bereits alle ausgegoren6
Um diese Zeit werden die Nächte allmählich etwas frischer, blos tagsüber ist’s noch etwas warm, aber die heißesten Monate Dezember-März,7 sind vorbei.8 20 Wir hatten draußen an der Sonne meist ca. 55° Celsius, also schon ganz nett warm,║II.║ obwohl es ja auch noch bedeutend wärmere Lagen hier gibt; aber es reicht vollkommen aus.9
22 Hast also Skifahren gelernt;10 das ist allerdings netter als sich hier von den Mücken stechen lassen und hätte ich schon ganz gerne mal für einige Tage getauscht mit Dir.
Wenn man auch das was man nicht hat, wohl öfters besonders begehrt, so glaube ich doch, daß so einige rechte Wintertage ganz nett gewesen wären. Mußt dafür sorgen, daß die Zeppelinverbindung nach Südamerika rascher in Gang kommt;11 damit man auch mal für kürzere Wochen nach Europa fahren könnte. So werden wir uns noch gedulden, bis es auch mit dem Dampfer reicht; die jüngste Generation fährt dann vielleicht nicht mehr │ per Schiff.
Der Fluß ist dieses Jahr zum Glück nicht so hoch gekommen,12 wie andere Jahre. Und hat das Hochwasser diesmal keinen Schaden angerichtet.13 Trotzdem sind wie alle Jahre sämtliche Brücken mit fortgerißen [sic] worden, aber das ganze Hochwasser dauerte blos einen Monat und jetzt sind die Brücken bereits wieder hergestellt, sodaß der Autoverkehr mit Arequipa wieder in vollem Gange ist.
Bis Du diesen Brief erhälst [sic] blühen bei Euch schon einige Bäume. Recht kurz ist mein Gruß heute an Dich; ich wollte blos die fotos [sic] von der Reise nicht länger halten,14 jetzt da ich sie endlich habe und erhälst [sic] Du das Nächstemal [sic] etwas besseren Bericht von Deinem
Friedel.
P.S. Gerade erhalte ich Deinen Brief vom 10. März mit den Schneeglöckchen. Hoffentlich bist Du diesmal bei Eurer X)15 Aufsichtsratsitzung [sic] gut weggekommen.16 Ich halte Dir den Daumen; wenn’s nur was nützen würde. Nochmals vielen, vielen Dank. Friedel.
Anmerkungen
1 Über diese Reise mit dem Ehepaar Schulze berichtet Friedel in Brief 23, Z. 24ff., bes. 32ff.;dort kündigt er auch bereits die Photo-Sendung an. Es handelt sich um fünf Schwarzweiß-Aufnahmen. 1) Die größte ist 14,7×8,8 cm und zeigt drei jeweils im Abstand von ca. 1 m voneinander entfernt auf baumloser Hochebene stehende und dabei eine Art Viertelkreis bildende Menschen, zwei Männer und, als einzige frontal zur Kamera gewandt, eine Frau. Der vom Betrachter aus gesehen links, der Kamera zunächst stehende Mann ist trotz der starken Verschattung seines Gesichtes durch eine breite Hutkrempe als Friedel zu erkennen. Er trägt Reitstiefel, Reithose und einen Blouson. Den Körper halb nach rechts (für den Betrachter links) ins Bild gedreht und beide Hände in den Hosentaschen, so blickt er ins Auge der Kamera. Der bärtige Mann rechts von ihm trägt ebenfalls Reithose und ‑stiefel, dazu eine karierte Holzfällerjacke und einen ähnlich breitkrempigen Hut. Er hält Oberkörper und Kopf leicht nach hinten geneigt und späht, vielleicht ein Photomotiv suchend, rechts an der Kamera vorbei in die Ferne. Sein Profil verrät neben dem lächelnden Mund inmitten des Vollbarts vor allem eine kräftige Statur. Unter seinem linken, dem Betrachter abgewandten Arm scheint er einen Tornister oder eine Kameratasche zu tragen, dessen oder deren Riemen herabbaumeln. In der gesenkten Rechten hält er einen nicht leicht zu bestimmenden Gegenstand kopfüber an einer Stange, vielleicht eine Plattenkamera mit Stativ oder – da Friedel den Mann rückseitig auch als Geologen und Ingenieur vorstellt – einen Reisetheodolit, d.h. ein kleines, für Expeditionen geeignetes geodätisches Instrument zur Horizontal- und Höhenwinkelmessung, in der diesfalls typischen hölzernen Transportkiste von 15-25 cm Kantenlänge. Die rechts von ihm stehende, den Betrachter direkt anblickende Frau trägt Rock und Norwegerpulli mit auffälliger, augenscheinlich perlenbesetzter Brosche in stilisierter Eiskristallform (besser zu sehen auf Bild Nr. 2), darüber eine offene Windjacke, in deren Taschen sie die Hände hält, und auf dem Kopf eine eng anliegende Kappe. Vor ihr auf dem Boden liegt eine Trinkflasche o.ä., rechts von ihr ein undefinierbarer Gegenstand. Auf der Rückseite ist das Bild mit Bleistift von Friedels Hand als Nr. «17» der «Fahrt Ayaviri-Huancarani.» bezeichnet; in der rechten oberen Ecke steht «6×», eventuell für die Zahl der bestellten Abzüge. Friedels Bilderläuterung lautet: «Unterwegs auf den Hochebenen 4500 m. ca. Der Herr in der Mitte ist der bekannte Münchener Geologe und Forscher Adolfo Schulze, zugleich auch Ingenieur und Architekt. Besitzt hier oben Kupferminen. Rechts seine Frau eine Norwegerin. Bei denen war ich in Ayaviri in den Ferien. Okt. 1930.» Zum Ehepaar Schulze s. Brief 23/Anm. 18, zu den Hochebenen Perus ebda./Anm. 14, zu Ayaviri ebda./Anm. 16. – 2) Ein Bild 14×8,7 cm zeigt dieselben drei Personen inmitten der typischen Puna-Vegetation trockener Gras-Büschel lagernd, umgeben von zerknitterten Zeitungspapieren, in die vermutlich ihr Proviant, man meint u.a. einen Brotlaib zu erkennen, eingeschlagen war. Im Bildvordergrund und kurz unterhalb der Hüfte abgeschnitten, mit dem Oberkörper seinen hinter ihm sitzenden Begleitern zu- und dem Betrachter damit wiederum abgewandt, Adolfo Schulze mit karierter Jacke und Hut. Er reicht entweder mit der Rechten seiner Frau etwas an (mglw. ein Messer) oder empfängt es aus ihrer geöffneten Linken. Sie hat die Windjacke ausgezogen (womöglich dient sie ihr als Sitzunterlage, denn sie ist nicht zu sehen) und streckt lächelnd die Linke nach ihrem Mann aus. Am rechten Bildrand sitzt Friedel mit Hut und Blouson, unter dem hier ein weißes Hemd mit Krawatte sichtbar wird, auf seinen ausgestreckten Beinen Mengen von Zeitungspapier, und lächelt im Halbprofil Herrn Schulze zu. Seine Rechte hält ein kleines Messer, die Linke vermutlich etwas Eßbares. Rückseitig mit Bleistift von seiner Hand: «Fahrt Ayaviri-Huancarani. Rast unterwegs. Okt. 1930.» – Die drei kleineren Aufnahmen haben alle dasselbe Format 9×12 cm. 3) Eine karge Hochebene, im Hintergrund von schneebedeckter Bergkette eingerahmt, auf der Grenze zwischen beidem allem Anschein nach ein See. Der mittlere Gipfel von Friedel mit einem Pfeil (↓) markiert, der Taleinschnitt rechts davon mit einem Kreuz (×). Auf der Rückseite mit Bleistift von Friedels Hand: «Fahrt Ayaviri-Huancarani. Unterwegs auf der Hochebene. Tagelang fährt man auf diesen Hochebenen, bei der [sic] wir hier an’s Ende gelangt sind. Im Hintergrunde die Aricomagruppe; in der Mitte (↓) der Aricoma 5040 m und rechts davon der Paßweg für Autos (×) 4800 m. An vielen langgestreckten Bergseen kamen wir vorbei. Okt. 1930.» 4) Derselbe Blick, nur viel näher an See und Aricoma-Gipfel gerückt, dessen Nachbarn linkerseits jetzt ganz außerhalb der Bildgrenze liegen; die Paßstraße mit Pfeil (↓) markiert. Direkt am See, in ziemlicher Entfernung von der Kamera und daher für den Betrachter nicht gut erkennbar, unsere drei Reisenden: links, aufrecht stehend, mit Pfeife im Mund und nach rechts aus dem Bild heraus in die Ferne schauend, vermutlich Adolfo Schulze; genau unterhalb der Aricoma-Spitze mit dem Rücken zu See und Bergen sitzend, wohl Friedel, und rechts von ihm, gleichfalls sitzend, ihm und dem See zugewandt, Ragna Baehr Claussen Schulze. Auf der Rückseite mit Bleistift von Friedels Hand: «Fahrt Ayaviri-Huancarani. Kurz vor der Aricomagruppe. Der weiße Gipfel ist der Aricoma 5040 m. auf den wir später hinaufstiegen. Rechts davon (↓) die Paßstraße 4800 m. Ich sitze dort auf einem Stein neben Frau Schulze. Okt. 1930.» 5) Blick von der Höhe hinab ins Vorgebirge mit Schotterpisten und der darunter sich öffnenden Hochebene mit See. Rückseitig mit Bleistift von Friedels Hand: «Fahrt Ayaviri-Huancarani. Von der Paßhöhe des Aricoma 4800 m, Blick rückwärts auf die zurückgelegte Strecke. Unten einer der vielen Seen. Okt. 1930.»
2 Zu diesem mutmaßlich durch Wilhelm Utermöhlens sechzigsten Geburtstag motivierten Besuch Wilhelms mit seiner Frau Helene in der Utermöhlenschen Heimatgegend s. Brief 24, Z. 59. 70f. mit Anm.
3 Kein Einzug, obwohl Abs. (da Zeile auf Recto-Seite nur halb voll).
4 Semikolon sic. – Zur Hacienda San Vicente s. Brief 21, Z. 17ff. Der Name des Ingenieurs ist uns nicht überliefert.
5 Komma sehr schwach.
6 Fehlender Satzpunkt sic. – Über seine erstmalige, gelungene Weinernte im Vorjahr berichtet Friedel in Brief 21, Z. 37-41.
7 Komma sic.
8 Die Verkehrung der Jahreszeiten im Verhältnis zu denen der Nordhalbkugel hat Friedel inzwischen schon mehrmals mitgeteilt: Briefe 13, Z. 21ff.; 20, Z. 28-30; 23, Z. 22f.
9 Unerachtet die Zahl «55» eindeutig zu lesen ist, fragt man sich unwillkürlich, ob dem Vf. hier ein Schreibfehler unterlaufen sein könnte, und das nicht nur wegen seiner im Verhältnis zu der Angabe, selbst bei Berücksichtigung der zweifellos intendierten Ironie, allzu untertreibenden Kommentierung. Wissenschaftliche Untersuchungen von Geodynamik und Klima im Majes-Tal nennen für den Zeitraum zwischen 1949 und 1959 eine mittlere Jahrestemperatur im Schatten von 17,97°C (Estudio geodinámico y evaluación de peligros del Valle de Majes [Aplao, Huancarqui, Cosos, La Real y Corire], hg. Universidad Nacional de San Agustín de Arequipa. Arequipa 2001, S. 17. passim; bvpad.indeci.gob.pe/doc/estudios_CS/Region_Arequipa/castilla/valledemajes.pdf). Seither sind die Durchschnittstemperaturen wegen des Klimawandels gestiegen, aber für Friedels Zeit dürfte die Angabe nicht zu weit vom Schuß sein. Das ließe für den Hochsommer immer noch eine Temperatur von 35-45°C zu, aber nicht von 55°C, zumal «noch bedeutend wärmere Lagen» (Z. 20f.) dann kaum mehr denkbar wären. Allerdings ist Friedels Angabe ausdrücklich «an der Sonne» gemessen (Z. 19f.) und insofern nicht ganz auszuschließen. Die Behauptung allerdings von der Existenz «noch bedeutend wärmere[r] Lagen» müßte auch dann als Übertreibung gewertet werden.
10 Das Skifahren gelangte im 19. Jh. von der norwegischen Telemark aus nach Mitteleuropa, wo es kurz vor der Jahrhundertwende populär zu werden begann. In Braunlage südlich des Brockens, gar nicht so weit von Käthes Braunschweig entfernt, kamen Skier bereits 1883 zum Einsatz, als es galt, Sturmschäden in den umliegenden Wäldern zu rekognoszieren. Die erste Skibesteigung in den Alpen führte 1890 auf einen 1.791 m hohen Gipfel in den bayerischen Voralpen, der kurioserweise wie Friedels Schweizer Heimat ‹Heimgarten› heißt (und Richard Strauss zu seiner ‹Alpensinfonie› inspirierte). Ab 1920 nahm der alpine Skisport seinen Aufschwung, begünstigt durch den Ausbau der Eisenbahnen in der Schweiz, Österreich und Italien. – Aus Briefen von Käthes Schwester Lisa aus dieser Zeit (Familienarchiv Barnstorf) geht hervor, daß die Geschwister Käthe, Lisa und Wilhelm im Winter 1931 mehrere Male zu Skiwanderungen im Harz verabredet waren; mithin dürfte Käthe diesen Sport hier erlernt haben, und zwar wahrscheinlich angeleitet von Wilhelm, der in Sachen Ski auch später noch für die jüngeren Familienmitglieder zum Mentor wurde. Die Geschwister Utermöhlen trafen sich in Braunschweig, von wo aus sie den Zug nach Harzburg nahmen. Mit dem Bus ging es dort (wie noch heute) weiter zum ‹Torfhaus› in 800 m Höhe, wo der Aufstieg zum Brocken begann.
11 Semikolon sic. – Friedel äußert seinen Wunsch in der Hoch-Zeit der Zeppelin-Luftfahrt, die (nach ersten Entwürfen ihres Erfinders Ferdinand Graf von Zeppelin 1898, nach vielerlei Unfällen, Unglücken und Weiterentwicklungen, dem zivilen Einsatz ab 1909, dem militärischen ab 1914 und der Auslieferung der übriggebliebenen Luftschiffe nach 1918 an die siegreichen Alliierten) 1924 mit dem sog. Amerikaluftschiff und v.a. 1928 mit der überaus leistungsfähigen und erfolgreichen ‹Graf Zeppelin› anhob. Am 18. Mai 1930 unternahm die ‹Graf Zeppelin› (nach ihrer Weltfahrt 1929 und vor ihrer Arktisfahrt 1931) ihre erste Südamerikafahrt und beförderte von da an bis 1937 jährlich steigende Mengen von Passagieren, Fracht und Post zwischen Europa, Nord- und Südamerika. Eine regelmäßige Verbindung bestand vom 29.8.1931 bis zum Mai 1937 zwischen Deutschland (Friedrichshafen am Bodensee und ab Juli 1936, als der Rhein-Main-Flughafen eröffnet wurde, v.a. Frankfurt am Main) und Brasilien (Recife und Rio de Janeiro); ab dem 30.6.1934 wurde auch Buenos Aires regulär angeflogen. Friedels Wunsch ging also praktisch im Augenblick seiner Niederschrift in Erfüllung. Auf der Südamerika-Route wurde häufig eine Zwischenlandung im spanischen Sevilla eingelegt. An den Ausgangs- und Zielpunkten gab es unmittelbar anschließende Flugverbindungen: In Deutschland flog die 1926 gegründete Deutsche Luft Hansa (ab 1933 ‹Deutsche Lufthansa›) von Friedrichshafen nach Frankfurt/Main und weiter nach Berlin, in Brasilien und Argentinien die 1927 ins Leben gerufene brasilianische Syndicato Condor Ltda. nach Porto Alegre, Montevideo, Buenos Aires und Santiago de Chile. Von dort hätte Friedel Kürschner z.B. mit der von ihm schon einmal benutzten Compañía Sud-Americana de Vapores (Brief 16) nach Arequipa weiterfahren können. So mühsam und umständlich die Zeppelin-Verbindung von und nach Peru damit erscheinen mag, so sehr verkürzte sie doch die Reise im Vergleich zur Schiffsverbindung: Während der Ozeandampfer in den zwanziger Jahren allein schon von Sevilla (von Deutschland ganz zu schweigen) bis nach Buenos Aires fast zwanzig Tage brauchte (Hugo Eckener: Im Zeppelin über Länder und Meere. Erlebnisse und Erinnerungen. Flensburg: Christian Wolff 1949, S. 284) und Friedels Fahrt von Genua nach Lima sogar fünf Wochen in Anspruch genommen hatte (s. Brief 10, Z. 17f.), erreichte der Zeppelin von Deutschland aus Recife in drei und Rio de Janeiro in vier Tagen. Der längste Lauf eines Zeppelins, justament des späteren Unglücks-Luftschiffs ‹Hindenburg›, ging ab dem 21. Oktober 1936 von Frankfurt nach Rio; für die 11.278 km benötigte es bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 101,2 km/h eine Fahrtzeit von 111,41 Stunden oder viereinhalb Tagen. Einschließlich des Anschlußfluges und der Dampferfahrt wäre Friedel wohl nicht mehr als eine Woche zwischen Deutschland und Peru unterwegs gewesen. Angesichts der großen Zeitersparnis verwundert es nicht, daß die Südamerika-Fahrten des Zeppelins immer vollbesetzt waren. Sie kosteten zwar ein Vermögen – 40.000 RM werden für 1930 angegeben –, sanken jedoch rasch im Preis (wahrscheinlich auch wegen der nach dem Schwarzen Freitag 1929 einsetzenden Deflation; vgl. Brief 23/Anm. 31), auch wenn sie für Durchschnittsverdiener (Jahresverdienst 1.700 RM) unerschwinglich blieben: 1937, im letzten Verkehrsjahr, kostete die Fahrt von Frankfurt nach Recife einschließlich Verpflegung nur noch 1.400 RM im Doppel- und 2.100 RM im Einzelzimmer; nach Rio jeweils hundert Reichsmark mehr. 1931 fanden drei Luftschiffahrten nach Südamerika statt, 1932 und 1933 je neun, 1934 zwölf, 1935 sechzehn und 1936 neunzehn (Eckener, ebda., S. 339. 344). Für die Zeit zwischen dem 16.3. und dem 12.10.1937 standen fünfzehn Südamerika-Fahrten auf dem Plan, d.h. etwas mehr als zwei pro Monat. Doch die Fahrt der ‹Graf Zeppelin› von Recife nach Friedrichshafen am 6. Mai jenes Jahres wurde zur letzten überhaupt (Eckener, ebda., S. 529): Auf ihr empfing der Funker die Nachricht von der Explosion des Schwesternschiffes ‹Hindenburg›, die sich bei dessen Landung über Lakehurst (New Jersey) nahe New York kurz zuvor ereignet hatte und bei der 36 Menschen starben. Die Mannschaft der ‹Graf Zeppelin› wurde von Kapitän Hans von Schiller informiert, die Passagiere jedoch erst bei ihrer Ankunft in Friedrichshafen am 8. Mai. Mit dieser Katastrophe endete die – von den Nazis und namentlich Göring als Reichsluftfahrtminister trotz des damit verbundenen Nationalprestiges, trotz auch der finanziellen Beteiligung des Deutschen Reiches seit 1935 am Zeppelin-Verkehr, ohnehin skeptisch bis ablehnend beurteilte – Zeppelin-Luftfahrt, die sich unter Ferdinand von Zeppelins (1838-1917) Nachfolger Hugo Eckener (1868-1954) der politischen Indienstnahme durch die Nazis von Anfang an zu entziehen gesucht hatte. Vgl. die faszinierenden und lebendig erzählten Erinnerungen Eckeners und darin bes. das Südamerika- sowie die letzten drei Kapitel über die Nazizeit (ebda., S. 281-352. 439ff.). – Friedrichshafen wurde dann im Krieg zu einem Rüstungszentrum, das auch Häftlinge aus mehreren KZ-Außenlagern, z.B. von Dachau (Friedrichshafen; Saulgau) und Sachsenhausen (Oranienburg), als Zwangsarbeiter einsetzte.
12 Komma sic.
13 Im Gegensatz zum Vorjahr: s. Brief 21, Z. 60ff. 71f.
14 Komma fast unsichtbar.
15 Hier ist die Seite zu Ende; Fortsetzung nach Wiederholung des Verweiszeichens «X)» quer auf dem linken Rand.
16 Bei der Braunschweiger Firma Julius Roever, bei der sie seit Anfang 1927 im Kontor angestellt war, wackelte möglicherweise Käthe Utermöhlens Stuhl wegen der allgemeinen Wirtschaftskrise schon im Frühjahr 1931. Im August jenes Jahres wurde ihr dann gekündigt bzw. ihr Arbeitsvertrag wurde, bei vermindertem Entgelt, auf Monatsbasis umgestellt (s. Einleitung).