VII. Die Kirche und ihre Diener

Als am 15. März 1944 mittags ein vom Anflug auf Berlin zurückkehrendes, wahrscheinlich amerikanisches Bombengeschwader im Notwurf (wie man annehmen kann, vielleicht aber auch in Verkennung der viereckigen Burgwälle als vermeintliches Munitionslager) seine todbringende Last in Reihen über dem Dorf, der Burgstelle und der Feidmark ausklinkte, da traf eine der Bomben, durch den Dachstuhl herniederfahrend, die Mitte des Kirchenraumes und schleuderte die fast 4 m dicken Wände aus Elmkalkstein nach allen Seiten. Nur der Turm blieb zunächst stehen, mußte aber 2 Jahre danach wegen Einsturzgefahr gesprengt werden. Die Glocke, die dann viele Jahre in einem provisorischen Glockenstuhl auf dem Friedhof geläutet werden mußte, und der 800 Jahre alte Altar blieben erhalten

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Abb. 5 Die alte Kirche (zerstört 1944) (Foto privat)

und dienen mit der gleichfalls wie durch ein Wunder geretteten Kreuzigungsgruppe aus der Zeit um 1500 im neuen Kirchlein der Gemeinde zu Gottes Lob und Verkündigung. Aber das älteste, festeste und schönste Gebäude Weferlingens ist vergangen. Alle jene, deren Namen oben genannt wurden, von Heyso bis zu den Isenbergs, die adligen Grundherren wie ihre Häu slinge, die Ackerleute und Anbauern, die Greise und die Kinder sind bis 1944 durch die von 2 Säulen gezierte Eingangstür, deren Tumba (halbkreisförmiger Deckstein) noch heute auf dem Friedhof liegt, in das schlichte Gotteshaus hineingegangen. Von vielen birgt der Friedhof die längst wieder zu Erde gewordenen Gebeine, nur bei wenigen noch durch Denkmale kenntlich. Daß aber die Nachfahren derer, die da ruhen, sich an ihre Ahnen, deren Kirche und Dorf, an den ehernen Wandel der Geschichte, aber auch an die Nichtigkeit vermeintlicher irdischer Sicherheit und Geborgenheit erinnern lassen möchten, ist eine der Absichten dieser kleinen Chronik von 1000 jahren Leben in unserem Dorfe.

Die alte Kirche gehörte zu dem überall ringsum in unserer Heimat bis in die Altmark anzutreffenden Typ romanischer Wehrkirchen, wie man sie wegen ihrer Aufgabe, mit fest und brandsicher aus Felsgestein gebauten Türmen die Dorfbewohner in Notzeiten zu schützen, genannt hat. Nach der Einführung des Christentums in unserer Heimat durch den heiligen Ludger im 9. Jahrhundert gab es zunächst nur in wenigen Orten (Helmstedt, Atzum, Lucklum u.a.) kleine Kapellen für die neu Bekehrten. In der Zeit des Kaisertums der Salier aber, d.h. im 11. bis 12. Jahrhundert, war der Raum nördlich des Harzes der Mittelpunkt kaiserlicher Macht und ihres Abglanzes in stolzen Gebäuden. Die romanischen, in ihrem Baustil aus Italien kommenden Bauten wie das Kaiserhaus in Goslar, die Burg Dankwarderode in Braunschweig oder der Kaiserdom in Königslutter sind Erinnerungen an diese Zeiten. Damals schufen sich auch die Dörfer mit Hilfe ihrer adligen oder kirchlichen Grundherren solche romanischen Kirchen, wie wir sie noch heute etwa in Ampleben; Kneitlingen, Evessen, Eilum, Groß-Vahlberg, Melverode und vielen anderen Orten, wenn auch oft durch Umbauten verändert, sehen.

Vom Erbauer und dem Gründungsjahr der alten Kirche, die in Abb. 5 nach einem Foto in den „Bau und Kunstdenkmälern“ von 1902 zu sehen ist, wissen wir nichts. Im „Corpus bonorum“ (dem Güterverzeichnis der Kirche, das in Eilum verwahrt wurde), findet sich der Hinweis, daß alle früheren Nachrichten bei einem Brande der Eilumer Pfarre verbrannt seien. Es war auf jeden Fall ein Bauwerk, das nicht wie die heutige Kirche von einer kirchlichen Behörde mit Steuermitteln, sondern von der adligen Gutsherrschaft und der Dorfschaft mit Steinen, die sie aus Elm und Asse holten, mit Mörtel aus der Lehmkuhle am Steinberge und mit Eichenholz aus dem Anteil Weferlingens im Reitlingstal erbaut und später durch fromme Stiftungen von Bildwerken verschönt war.

Die Kirche war, wie P. J. Meier (Bau- und Kunstdenkm.) nach dem Bild eines Negerheiligen im 1944 vernichteten Flügelaltar (vgl. Abb. 8) annahm, wahrscheinlich dem heiligen Mauritius (Moritz) geweiht. Mauritius war als Offizier der sog. Thebaischen Legion in Ägypten im 3. Jahrhundert für seinen Christenglauben gefallen und später als Märtyrer heilig gesprochen. Er stand im Altarschrein links neben Maria. Ob Reliquien von ihm in der kleinen, gotischen Steinnische des Altars verwahrt waren, ließ sich bei den Aufräumungsarbeiten der Ruine nicht feststellen. Diese sind leider so unsachlich und ohne Zuziehung eines Archäologen durchgeführt, daß auch nicht das gefundene Grab, wahrscheinlich des Stifters der Kirche, vor dem Altar untersucht wurde und das die in den „Bau- und Kunstdenkm.“ abgebildeten, romanischen Säulenkapitelle pietätlos zerschlagen wurden. Die Kirche war, wie an der erwähnten Stelle im Einzelnen nachgelesen werden kann, im Innern mit Chor ca. 13 m lang und 6,60 m breit. Der Turm umschloß einen Raum von 7 mal 4,50 m. Der Chor war in gotischer Zeit verlängert (etwa im 15. Jahrhundert), wobei wahrscheinlich die halbrunde Apsis, die man z. B. In Melverode und Ampleben nach Osten hin noch findet, verloren ging. Die rundbogigen Fenster (im Chor je eins, im Schiff je zwei an den Längsseiten) waren 1794 umgebaut. In dieser Zeit, die das Innere vieler Dorfkirchen umformte, wurde auch eine Holzempore über dem Altar mit einer sog. Altarkanzel und eine weitere an Süd- und Westwand des Schiffes angebracht. Dort saßen nach alter Sitte die unverheirateten Männer und dort stand auch seit etwa 1890 ein Harmonium, denn eine Orgel besaß die Kirche nie. Der Südeingang aus zwei mächtigen

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Abb. 6 Die neue Kirche (geweiht 1957) (Foto: Henning Barnstorf)

Quadern mit romanischen Ecksäulen und einem halbmondförmigen Deckstein (Tumba oder Tympanon) stammte aus der Gründungszeit der Kirche. Reste dieser Steine, die auf dem jetzt prächtig gepflegten Friedhof liegen, sollte man ordnen und als Denkmal für das Grab der gestorbenen Kirche aufstellen.

Dem Südeingang gegenüber war ein ganz ähnlicher, aber schon im Mittelalter vermauerter Eingang an der Nordseite des Kirchenschiffs, der somit dem Nordeingang zum Dorf durch dessen Wallhecke zugekehrt war. Eine mündliche Überlieferung wollte früher wissen, daß hier die Bewohner von „Klein-Weferlingen“, das nach Gilzum zu gelegen haben sollte, in die Kirche gingen. Ein noch kleineres Dorf, als das unsere, kann man sich nicht vorstellen. Es kann aber sein, daß eine früh wüst gewordene Siedlung „Hötzum”, auf die der heutige Flurname Hötzenkamp am Reuterweg hindeutet, diese Erinnerung bewahrt hat, wie auch  Hahne in seiner Dorfgeschichte von Hachum (Schöppenstedt 1934) 5.12 nicht ausschließen möchte.

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Abb. 7 Kreuzigungsgruppe aus dem 15. Jahrhundert (Bauu. Kunstdenkm. Bd. 3/2 — 1906)

Die Glockenstube im Turm hatte nach Osten zwei, nach Süden und Norden je eine rundbogige Schallöffnung mit schönen Würfelkapitelsäulen, die bei Steinacker, a. a. O. Abgebildet sind. Die Glocke, die nun wieder zum Gottesdienst ruft, und die wunderbarerweise trotz ihres Sturzes aus dem Glockenstuhl erhalten blieb, ist aus einer älteren, die nach einem Blitzschlag zersprungen sein soll, im Jahre 1834 umgegossen.

Besonderen Schmuck verliehen dem Kircheninnern ein holzgeschnitzter Flügelaltar vom Ende des 15. Jahrhunderts und die aus 3 großen Figuren bestehende Kreuzigungsgruppe, die ursprünglich auf dem Triumphbalken über dem Altar stand und zuletzt an der Nordwand des Schiffes hing. (Abb. 7 und 8). Der Gekreuzigte, daneben Maria und Johannes, sind auch aus der Zerstörung gerettet und nach längerem Gastaufenthalt im Predigerseminar der Landeskirche in Braunschweig 1957 wieder in die neue Kirche zurückgekehrt, wo sie jetzt über dem Altar die heutigen Gläubigen der Gemeinde wie deren Ahnen seit 500 Jahren an die Heils-Tat des Erlösers mahnend erinnern. Von dem Flügelaltar blieb jedoch nur eine, schwer beschädigte Apostelfigur übrig. Wenn sie leidlich restauriert werden kann, wird sie der Verfasser der Kirche seines Heimatdorfes zurückgeben.

Diese hatte die Erhaltung des Flügelaltars schon 1879 dem wiederholt genannten Ackermann und Gemeindevorsteher Friedrich Barnstorf vom Hof Nr. 3 zu verdanken. Er ließ damals die achtlos auf dem Kirchenboden bewahrten, wahrscheinlich von früheren Kirchenvorständen als katholische Irrtümer mißachteten Kunstwerke renovieren. Wurmfraß machte bei dem Flügelaltar noch einmal eine in Braunschweig durchgeführte Erneuerung im Jahre 1937 nötig, für die sich damals Wilhelm Barnstorf vom gleichen Hof (gest. 1954) mit Erfolg einsetzte. Der Flügelaltar, dessen Bild nun im Konfirmandenraum der neuen Kirche die Jugend des Dorfes an die alten Zeiten mahnt, stellte die 12 Apostel zur Seite der Jungfrau Maria mit dem Kinde dar, die nach ihren Märtyrersymbolen teilweise erkennbar gemacht sind. Die winzige Figur des Altarstifters kniet links am Fuße eines Heiligen, der mit Mauritius die Gottesmutter umgibt.

Die Mauritius-Kirche Weferlingens besaß sonst an Kultgeräten das heute noch benutzte Taufbecken aus dem Jahre 1723. Es zeigt neben der Randumschrift: „Got Vater durch die Tauf zum Kinde mich genomen“ und den Namen des Stifters Julius Tielen eine sog. Wolfenbüttler Beschau, d. h. Ein Wahrzeichen für die Echtheit des Silbermetalls, ein Pferd mit Säule. Außer dem Meisterstempel des Gießers finden sich 21 Großbuchstaben, die wohl auf die damaligen Kirchenvorstandsmitglieder weisen. Die heiligen Geräte, Kelch und Patene, gehörten den Kirchen Weferlingen und Eilum, mit dessen Pfarramt das Dorf seit 1568 verbunden war, gemeinsam. Einen Taufstein besaß die alte Kirche nicht, jedenfalls ist er nicht bis auf unsere Zeit gekommen.

Die Ausstattung der Kirche war besonders seit der Reformation und dann des im Lande Braunschweig besonders wirksamen Zeitalters der rationalistischen Aufklärung im 18. Jahrhundert karg und dürftig. Die Weferlinger Kirche war keineswegs begütert. Alle Dorf- und Stadtkirchen wurden damals nicht von Kirchensteuern einer Staatskirche erhalten, die erst im 19. Jahrhundert wirksam wurde. Sie mußten zur Besoldung ihrer Geistlichen und zur Erhaltung des Kirchengebäudes die Erträgnisse ihres Grundbesitzes, der aus früheren frommen Stiftungen stammte sowie sonstige Legate, die für Seelenmessen für die Stifter aus Erträgnissen von Äckern vermacht waren, verwenden. Dazu kamen Bittgänge von Haus zu Haus, heute noch als Rest im „Kirchgeld” und den verschiedenen „Kollekten” (Sammlungen) erkennbar, wobei die bäuerliche Zurückhaltung bei Spenden schon vor Jahrhunderten üblich und beklagenswert war.

Das Kirchenvermögen, im Corpus bonorum, das in Eilum verwahrt wird, 1749 neu verzeichnet, war von altersher der Hof Nr. ass. 6, der sich aus einem Kothof und einem später wüst gewordenen Hof des Domstifts St. Blasii in Braunschweig zusammensetzte und dessen Wohnhaus noch heute westlich des Südeingangs vom „Großen Hof“ steht. Als die Schmalkaldener Fürsten im Religionskrieg von 1542 den erzkatholischen Herzog Heinrich den Jüngern aus dem Lande jagten und durch ihre Visitatoren die vorher katholischen Dorfkirchen nachprüfen ließen, damals war im Zug der Kriegsgreuel die Kirche in Eilum völlig ausgeplündert, da hatte die Kirche einen Hof, der jährlich 3 Scheffel Weizen und 1 Scheffel Roggen zinste. Später hatte sie dann noch ein Grundstück mit Wohnhaus und Stallung für die Pfarrerwitwen, die damals keinerlei Pension aus allgemeinen Kirchenmitteln bezogen, aber auf Leibesnotdurft und Nahrung seitens der Gemeinde Anspruch hatten. Dieses Grundstück (im Dorfplan von 1754 mit „C” bezeichnet) lag neben dem Ackerhof Nr. 1 auf dem Gebiet des späteren Lehrergartens.

Dieses Pfarrwitwenhaus wurde bei einem Brande der dicht daneben liegenden Scheune des Moshakeschen Hofes im Jahre 1734 so schwer beschädigt, daß es seitdem immer mehr verfiel. Es war 1749 (Corpus bonorum) „so ganz verfaulet, weil die Gemeinde solches ohne Dach und Fach hat stehen lassen.” Zu Gunsten der Gemeinde kann, wie aus andern Akten des Landeskirchenamts hervorgeht, angeführt werden, daß seit etwa 1680 keine Pfarrerwitwe mehr in Weferlingen hatte wohnen wollen. Das Haus scheint danach bald abgebrochen zu sein. Der Pfarrwitwengarten wurde 1895 von der Dorfgemeinde zur Erweiterung des Lehrergartens für 900 Reichsmark von der Kirche angekauft. Dieser Garten ist heute der vor einiger Zeit eingerichtete, von Linden überschattete Kinderspielplatz südlich des Lehrerwohnhauses. Der erste Pfarrer, der in Weferlingen bezeugt ist, war nach einer Urkunde von 1450 Bertram Handorp. Das Kirchdorf gehörte damals zum Bann (heute würde man das Propstei nennen), von Lucklum. In der Zeit vor der Reformation und dem Schmalkaldener Krieg wider den letzten katholischen Herzog Heinrich wurde die Pfarre in Eilum und Weferlingen wie in andern Dörfern nur durch sog. Heuerpfaffen versehen. Das eigentliche geistliche Amt mit seinen Einkünften in Form von Korn, Hühnern, Eiern und Wurst, oft in Geld gezahlt, hatte oft ein Pfarrer inne, der an einem ganz anderen Ort etwa als Angehöriger des Domstifts in Halberstadt oder Braunschweig lebte. Er ließ dann schlecht und recht von einem jungen, bedürfnislosen Gottesgelahrten die Messen, Taufen, Trauungen und Begräbnisse vollziehen, für die er ihn angeheuert hatte.  Das Visitationsprotokoll der Schmalkaldener Obrigkeit von 1542 berichtet von unserm Dorf: „Die Pfarr gehoret Herrn Frantz Becker, Vicari zu Halberstadt und die vorsiehet ihme Herr Hennig zu Großen-Vahlberg.“ Bei der nächsten Visitation, die Herzog Julius, der Sohn Heinrichs, nach dem Sieg des Luthertums 1568 vornehmen ließ, erscheint zur Prüfung der Pfarrer von Eilum und Weferlingen Herr Johannes Röbbeke. Bei der theologischen Überprüfung antwortete er „mehr papistisch denn lutherisch.“ Das Urteil über ihn lautete: „Er verstehet die Religionssachen nicht und ist eines ärgerlichen Lebenswandels, dahero mit Fug abzuschaffen!” Das wird denn wohl auch sofort geschehen sein.

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 Abb. 8 Flügelaltar aus d. 15. Jahrhdt. (zerstört 1944) (Bau- u. Kunstdenkm. Bd. 3/2 — 1906)

 Seit 1568 blieb Weferlingen mit Eilum ununterbrochen als Filialgemeinde verbunden. Der Pastor wohnte immer in Eilum. Erst in jüngster Zeit (seit 1956) ist eine frühere Bindung an Groß-Vahlberg wiederhergestellt, von wo jetzt der Ortsgeistliche in die neue Kirche kommt.

Dieses Kirchlein, das mit seinen hellen Außenwänden so ganz anders als die grauen Muschelkalkwände der Mauritiuskirche ins Land hineinsieht, wurde fast genau, nur ein wenig nach Norden gerückt, auf dem Grund der „festen Burg“ des Mittelalters am 3. Adventssonntag des Jahres 1957 eingeweiht. Es wurde mit Zuschüssen aus Sammlungen der Gemeinde, nach mehrjährigen Planungen in der Synode und dem Bauausschuß derselben im Wesentlichen aus dem Vermögen der Braunschweigischen Landeskirche erstellt, deren Kirchenbauer Prof. Berndt auch den Entwurf schuf. Die neue Kirche mit ihrer schlichten gewölbten Holzdecke hat auf der kleinen Empore zum ersten Male eine Orgel erhalten, die der Braunschweiger Orgelbauer Dutkowski einrichtete. Sie nahm auch in dem Dachreiter, der statt eines Turmes die Firstlinie krönt, die alte Glocke wieder auf und ein formschlichter Taufstein trägt beim Taufen das alte Becken von 1723. Daß über dem Altar, auf dem fast 800 Jahre Brot und Wein des Herrn standen, der Gekreuzigte umgeben von Maria und Johannes wieder thront, weiht die Kirche in besonderer Weise. Sie enthält auch nun eine kleine Sakristei, einen Konfirmandenraum und eine Aussegnungskapelle, die schon sehr lange als Abschiedsraum von den Verstorbenen der Gemeinde vermißt war. Blicken wir noch einmal zurück in die Geschichte dieser Dorfkirche. Das Patronatsrecht bei der Besetzung der Pfarrstellen hatte bis etwa um 1730 als Erbe der Herren von Weferlingen der jeweilige Älteste des Geschlechts von Asseburg. Danach übernahm dann der Herzog das Patronat.

Als Namen von Pfarrern finden wir: Alleweth (1583 — 1599), Christoph Panzinus (1600 — 1614), Jakob Weber (1614 — 1624). Bei dessen Nachfolger Matthias Woldenberg machten die beiden Gemeinden aus Sparsamkeitsgründen, denn sie mußten ja sonst seine Witwe erhalten, die Bedingung, daß er die Wittib des Vorgängers heiraten sollte. Ob er sich trotz der Nöte des Dreißigjährigen Krieges für solche Zuflucht bedankte, ist leider nicht überliefert.

Aus dem leider dann sehr lückenhaften Kirchenbuch lassen sich an weiteren Namen entnehmen: Jakob Ehrenreich Gilbert, Joh. Paul Riebold (1667 — 1693), später nach der Lücke Joh. Heinr. Heckner (1751 — 1777), dann dessen Sohn Engelbrecht Heckner and ehr re Thomae (ab 1828). Erschütternd sind oft die Eintragungen in den Kirchenbüchern, wonach viele Pfarrer und natürlich auch ihre Pfarrkinder an der „Brustseuche“ (Tuberkulose) starben.

Aus unserm Jahrhundert sind den ältesten Weferlingern, einem ganz kleinen Häuflein, noch erinnerlich Pastor Bäthge (etwa 1900 — 1910), Pastor Stümpfel (um 1915), der dann im ersten Weltkrieg durch seinen Amtsbruder Tornau aus Evessen vertreten werden mußte, danach Pastor Krüger (bis 1934) und der Sohn des ehemaligen Hofpredigers in Braunschweig K. A. Von Schwartz (1934 – 1939), der nach langer Kriegsgefangenschaft in Rußland jetzt als Propst in Goslar amtiert, noch wohl erinnerlich. Auch im 2. Weltkrieg mußte die Pfarre Eilum-Weferlingen durch Stellvertreter aus Dettum und auch einige Zeit durch den bisherigen Landesbischof D. Martin Erdmann, damals Pastor in Lelm, versorgt werden. Die nach dem letzten Krieg nötigen Provisorien wurden durch die Einsetzung von Pastor Rosa, dann seit 1956 von Pastor Bechtloff und nach dessen Ausscheiden vom jetzigen Pastor Wenzel in Groß-Vahlberg abgelöst.

Den Lebensunterhalt nahmen früher die Pfarrer aus den Erträgnissen der Pfarrländereien. Der Flurname „Papenkamp“ an der Ecke der Straße von Dettum nach Schöppenstedt hält die Erinnerung an das Ackerland für die Pfaffen (Hof Nr. 6) wach. Dem Pfarrer stand ferner zu, sich Getreide, Flachs zum Verspinnen (zuvor in den Flachsrotten am Ufer des Mühlenbachs auf dem Platze des Friedrichs-Wunderlingschen Wohnhauses und der Scheune gebrakt, gerippelt und gebleicht), sowie Brennholz von Weferlingen nach Eilum fahren zu lassen. Auch Stallmist wurde ihm geliefert. 1813 verzichtete der Pastor darauf, weil die Gemeinde Weferlingen ihn zur Franzosenzeit mit Kriegsfuhren verschont habe, aber auch weil ihm die Bewirtung der Fuhrleute (jeder Hof hatte im Jahr 2 Mistoder Holzfuhren zu leisten) mit „morgens und mittags zuerst Branntwein und Suppe, danach gehörige Vorkost, hinlänglich Fleisch und Bier“ wohl zu teuer war. Alle 14 Tage war abwechselnd in Eilum und Weferlingen der Pastor „nach der Reihe” zu Mittag nach dem Gottesdienst zu bewirten.

Für kirchliche Handlungen (Kasualien) galt eine Taxe, die wir erst aus dem 18. Jahrh. kennen, die aber vorher gleichartig gewesen sein wird. Sie sah vor: Für die Proclamation, wenn Brautleute „von der Kanzel geschmissen” wurden, 18 gute Groschen, wobei ein ggr. Etwa 12 Pfennig nach heutiger Währung wert war. Für eine Copulation (Trauung) 1 Thaler. Die Braut gab ein linnen Schnupftuch.... Dem Prediger gebührt die „Brautsuppe“, d. h. Ein Stück Rindfleisch von 6 – 8 Pfund, Schweinefleisch von 6 Pfund, ein bis zwei Würste, 1 Brot, 1 Semmel, 1 Kuchen, eine Schlaufkanne Bier. Aber der Pastor klagt im Corpus Bonorum: „Die Leute schicken nicht mehr soviel, als vordem!” Das Lob der guten, alten Zeit bleibt sich heute, wie ehedem, völlig gleich.

Für das Schreiben eines Gevatterbriefs, das nicht alle seine Pfarrkinder beherrschten, nahm Hochwürden 24 Mariengroschen, für eine Leichenpredigt „inclusive Personalien, Bitte und Dank” aber einen Thaler. Ja, die Taxen waren genau! Auch Bitte und Dank an den Höchsten waren zu honorieren! Das war katholischer, das blieb lutherischer Brauch. Nur ein „Leichenhuhn“ zum Begräbnisschmaus war in Weferlingen nicht üblich. So war die Pfründe des Pfarramts in unserem kleinen Dorf gewiß nie einkömmlich wie anderswo. Wie das Amt des Lehrers wurde auch das von den Aposteln eingesetzte Amt des Predigers und Seelsorgers erst hinlänglich gesichert, als durch feste Gehälter von einer zentral geleiteten Staatsoder Landeskirchenkasse aus den steuerlich festgelegten Abgaben aller Bürger und Kirchenchristen — und das blieb bis fast in unsere Zeit dasselbe – ein regelmäßiges Einkommen gezahlt werden konnte.