Die Briefe und Karten von Uffz. Gustav Lappat

 

19.1.1917

Sehr geehrtes Fräulein!

Herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen. Ich freue mich sehr etwas von Ihnen zu hören und will Ihnen nun auch etwas von hier aus Rußland schreiben. Ob bei uns viel Schnee ligt, möchtenSie gern wissen, o ja, sehr viel sogar. Die ganzen Felder und Sümpfe sind in einer meterhohen Schneedecke eingehüllt und der Wald sieht prachtvoll aus. Die Bäume sehen aus wie Weihnachtsbäume. Manchmal könnte man denken wir wohnen in einem Märchenland, wenn nur nicht die Kanonen die Stille unterbrechen würden. Kalt ist es jetzt ganz gehörig aber wir sind hier zum größten Teil Ostpreußen, wir sind die Kälte gewohnt. In meiner freien Zeit laufe ich viel Ski, dazu ist die russische Winterlandschaft wie geschaffen, bloß hier bei Riga gibt es nicht viel hohe Berge, aber es geht auch so sehr schön.

Wie wir hier wohnen möchten Sie wissen. In der Heimat glauben manche, wir wohnen hier in Erdlöchern. Im ersten Winter wohnten wir ja in Heinzelmännchenwohnungen, aber der Krieg ist unser Lehrmeister gewesen. Nun haben wir ein schönes helles Blockhaus, innen ist es über 3 m hoch, so daß man gut aufrecht darin gehen kann, durch zwei große Fenster dringt helles Licht ein und ein Ziegelofen spendet uns angenehme Wärme. Wenn wir mal beschossen werden sind wir darin nicht sicher genug, da haben wir uns sogenannte Kaninchenlöcher gebaut. Dies ist ein kleiner Raum, möglichst unter der Erde und durch Baumstämme und Erde gegen feindliche Granaten geschützt. In der letzten Zeit mußten wir sehr viel schießen, denn die Russen wollten uns Mitau wieder wegnehmen, welches ihnen aber nicht gelungen ist; davon wird Ihnen ja schon die Zeitung erzählt habe, jetzt ist aber alles wieder ruhig. Augenblicklich beschießt der Panje unsere Schützengräben mit schweren Minen, wenn es nicht bald ruhig wird werden wir ihm gleich paar Granaten auf den Pelz brennen.

Zum Schluß sendet Ihnen viele herzliche Grüße

                                                    Gustav Lappat

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18.2.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Als gestern Abend der Postbote in die Batterie kam und mir Ihr schönes Kuchenpaketchen brachte, war ich freudig überrascht von meiner lieben Gönnerin aus Braunschweig etwas zu hören und ich sage Ihnen dafür meinen herzlichsten Dank. Sagen Sie mein liebes Fräulein, können Sie den Gedanken lesen? Ich bin ein furchtbar großer Kuchenfreund und überhaupt jetzt, wo man weiter nichts hat als Kommißbrot ist immer ein großer Feiertag bei mir, wenn ich mal was besseres bekomme.

Heute ist Sonntag, da werde ich mir schönen Kaffee kochen und mal einen guten Tag verleben. Kaffeebohnen giebt es bei Ihnen wohl garnicht mehr? Wir bekommen ja noch immer richtigen Kaffee, da haben wir es ja besser als Sie in der Heimat, wenn wir statt Butter nur Marmelade bekommen, denn das Fett daß wir zu beanspruchen haben, haben wir zugunsten der Munitionsarbeiter in der Heimat abgetreten, damit diese uns die Waffen gut schmieden können.

Bei uns ist es jetzt immer kalt, manchmal sehr kalt, an verschiedenen Tagen war das Thermometer bis auf 36 Grad gefallen, aber die Kälte hat uns noch nicht geschadet, im Gegenteil, wir sind jetzt frischer und gesünder als im Sommer.

So im Allgemeinen ists bei uns ganz ruhig, bloß die Artillerie, die doch immer das große Wort haben muß, schießt andauernd, aber ohne dies geht es ja doch nicht, denn sonst würden wir ja vergessen, daß noch Krieg ist. Aber lange wird es so nicht bleiben, wenn es mal etwas wärmer wird, wirds wohl überll losgehen. Wer weiß wo Hindenburg zu einem großen Schlag ausholen wird, wir bedauern bloß, daß wir nicht auch dabei sein können, denn eine Offensive ist immer viel schöner als der Stellungskrieg, vielleicht kommen wir aber doch noch von hier fort.

Gestern begrüßte uns ein russischer Flieger mit 2 Bomben, aber ohne etwas zu treffen, nur 2 Löcher im Schnee haben sie gemacht, das war alles.

Nun zum Schluß bitte ich Sie auch ihrer Frau Mutter meinen besten Dank zu übermitteln und vielleicht haben Sie die Liebenswürdigkeit und erfreuen mich bald wieder durch ein paar Zeilen.

Es grüßt Sie vielmals herzlich Ihr

Gustav Lappat


 12. 3. 1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Gestern Abend brachte mir die Post Ihr schönes Briefchen und ich danke Ihnen für die Zeilen recht herzlich. Es freut mich sehr, daß ich so schnell wieder eine Nachricht von Ihnen bekommen habe und weil heute fauler Sonntag ist, wo ich keinen Dienst habe, will ich gleich Ihre lieben Zeilen beantworten.

Zuerst will ich mal den Druckfehlerteufel beim Kragen nehmen, wie es eigentlich gekommen ist, daß ich Ihren werten Namen falsch geschrieben habe, weiß ich tatsächlich selber nicht, wahrscheinlich habe ich da geschlafen, oder habe ich es dem Umstand zu verdanken, weil in meiner Heimat der Name Untermöhlen bekannt ist. Für die Folge werde ich aber aufmerksam sein.

Heuet hatte ich den alltäglichen Dienst hier an der Front, mit einer kleinen Abwechslung, nämlich hatte ich die Gelegenheit, eine Schlittenfahrt zu machen. Ich mußte zu einem Vortrag über die 6. Kriegsanleihe hin, da es zum zu Fuß gehen zu weit war, wurde mir ein Schlitten zur Verfügung gestellt. Diese Fahrt war, muß ich sagen, „Herrlich“. Wir hatten zwei Pferde, die sonst nicht viel zu laufen brauchen vorgespannt und da zeigten sie so richtig was sie können, der Schlitten sauste nur so dahin; ich bedauerte nachher, daß der der Weg nicht noch weiter war. Wir werden jetz alle zur Kriegsanleihe etwas beitragen, damit unsere Feinde merken, daß wir Soldaten nicht nur mit den Waffen allein kämpfen, sondern auch unser Vaterland finanziell unterstützen können. Wir hoffen hier alle zuversichtlich, daß in diesem Sommer die Entscheidung fallen wird und wir dann in die Heimat zurückkehren können.

Wie sollte ich wohl darüber lachen, daß Sie sich noch mit Puppen beschäftigen, denn die Jugendzeit entflieht viel zu schnell, ich denke noch oft an die schöne Schulzeit zurück und wünschte oft, daß diese noch mal zurückkehren möchte. Wenn ich Ihnen aber sage, daß ich auch noch mit Puppen spiele, werden Sie sicher lachen, denn ich bin doch schon 27 Jahre alt. Ich habe mir nämlich ein Puppentheater zurechtgebaut, Sie kennen doch gewiß da berühmte Kasperletheater mit Todt und Teufel, seine Frau die böse Xantippe, Schutzmann, Dr. Faust u.s.w, da werden Sie auch verstehen, daß solche Vorführungen sehr viel zur Belustigung der Kameraden beitragen. Früher kam in mein Heimatstädtchen (Stallupönen, Ostpr.) alljährlich so ein Kasperletheater und dahin gingen wir Jungen für unser Leben gern. Auch noch andere Beschäftigungen die uns an unsere Jugendzeit erinnern werden hier im Felde getrieben, z.B. der „Schneemann“, dieser prangt riesengroß fast vor jedem Unterstand, da gibts einen Hindenburg, einen John Bull, dieser ist mächtig dick mit einer richtigen Pfeife im Munde, einen Nikolajewitsch mit mächtig langen, krummen Beinen, einen Deutschen Michel mit der Zipfelmütze u.s.w.. Auch eine Hagebeck‘schen Tierpark haben wir, da gibts Löwen, Elefanten, Kamele, Hunde, alles aus Schnee gemacht. Und wenn Tauwetter ist werden regellrechte Schneeballschlachten geführt, da sollten Sie nur sehen wie lustig es dabei zugeht, eine richtige Handgranatenschlacht.

Einen Gesangsverein und eine Hauskapelle haben auch hier, von letzterem bin ich der Obermusikmeister, bloß mangelt es uns an neuen Musikstückchen, denn hier hören wir keine andere Musik als den Kanonendonner. Da kommt mir ein schöner Gedanke, Sie werden doch jedenfalls Klavier spielen und viele schöne Musikstücke da haben, da möchte ich Sie höflichst bitten, wenn Ihnen die Arbeit nicht zu schwer fällt, die erste Stimme abzuschreiben und Sie mir zuschicken. Es braucht ja kein schöne Notenschrift zu sein, sondern nur ganz flüchtig geschrieben zu sein, ich würde dies dann auf meiner Geige hier vortragen, meinen herzlichsten Dank können Sie schon im Voraus versichert sein.

Nun glaube ich aber, für heute für heute genug geplappert zu haben, hoffentlich habe ich Sie nicht gelangweilt. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich recht bald wieder einig Zeilen von meinem kleinen Fräulein aus Braunschweig bekommen würde. Anbei überreiche ich Ihnen noch einige kleine Kriegsandenken.

 Viele herzliche Grüße aus Rußland von Ihrem

 Gustav Lappat

 



30.3.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Gestern Abend brachte mir die Feldpost Ihr schönes Kuchenpaketchen und sage Ihnen dafür vielen vielen Dank, auch Ihrer werten Frau Mutter sagen Sie bitte in meinem Namen meinen herzlichsten Dank. Meinen letzten Brief haben Sie noch nicht erhalten? Die Feldpost bummelt in letzter Zeit mächtig, früher gingen die Briefe viel schneller, aber ankommen wird er schon.

Viel neues ist hier nicht passiert, ein Tag ist so langweilig wie der andere. Der Frühling will auch nicht kommen, am Tage scheint die Sonne ja schon ziemlich warm, aber nachts frierts dann wieder, dabei kann der Schnee nicht verschwinden. Ich kann die Zeit garnicht erwarten wo die Wiesen mal grün und die Blumen blühen werden. Vorgestern machte ich mich auf den Weg, einige Weidenkätzchen zu suchen, aber leider, kein einziges fand ich.

Bei Ihnen in Braunschweig muß doch schon Frühling sein, oder will er in diesem Jahr dort auch nicht ankommen?

In vergangener Woche bin ich einige Tage in Mitau gewesen, ich holte von dort eine neue Kanone ab, da will ich Ihnen einiges von dort erzählen. Auf meiner Hinfahrt freute ich mich, nun für ein paar Tage aus dem ewigen Einerlei rauszukommen und mal unter anderen Menschen zu sein. Doch als ich dort ankam, herrschte solch Schneetreiben, daß man die Hand vor Augen nicht sehen konnte, da hatte ich nur zu tun, daß ich mir ein Quartier suchte um in einer warmen Stube zu sein. Abends wurde das Wetter etwas besser, da besuchte ich das Soldatenheim, dieses ist ein richtiges Erholungsheim für müde Krieger, die das Glück haben dort hinzukommen. Ein großes Gebäude, in Friedenzeiten muß es ein Vergnügungslokal gewesen sein, ist dazu hergerichtet. Da giebts Speisesäle, wo man für wenig Geld Erfrischungen kaufen kann, ein Lesezimmer, Schreibzimmer, einen großen Konzertsaal, dort spielt eine Militärkapelle Beethoven‘sche Musik und ein Feldgrauer sang einige Lieder aus Egmont. Das waren einige angenehme Stunden. Am anderen Morgen habe ich mir die Sehenswürdigkeiten der Stadt angesehen, da giebts leider nicht vieles, einige Kirchen, darunter die schönste, die russische (orthodoxe), einige schöne Gebäude, das ist alles. Die Schulen, die in deutschen Städten doch gleich in die Augen fallen, sind dort so versteckt, daß man sie garnicht findet. Ein Gymnasium giebts dort auch, bei meiner Anwesenheit muß gerade eine Abgangsprüfung stattgefunden haben, denn ich sah einige Abiturienten herumlaufen. Im Sommer muß es dort viel schöner sein, denn mitten durch die Stadt fließt ein Fluß, die Aa, umgeben von Bäumen und Anlagen, aber jetzt nur alles verschneit. Die Bevölkerung spricht dort alle Deutsch aber sehr viele scheinen nicht dageblieben zu sein, denn die meisten Häuser sind unbewohnt. Ich sprach mit verschiedenen gebildeten Leuten über das Ende des Krieges, da meinen alle, daß wir in diesem Jahr noch Frieden haben werden, ausschlaggebend soll die Revolution in Rußland sein. Es wäre ja sehr schön, wenn die Leutchen recht behielten, denn wir sehnen uns schon so sehr darnach, in unsere liebe Heimat zurückkehren zu dürfen. Jetzt heißt es noch aushalten, denn die Feinde wollen ja noch keinen Frieden.

Ihr Herr Bruder ist bei den blauen Jungen, da könnenSie ja stolz auf ihnsein, denn unsere Marine zeichnet sich ja täglich aus, bloß die Engländer lassen sich ja auf keinen ehrlichen Kampf mit unserer Flotte ein, denn was sie zu erwarten haben, haben sie in der Schlacht am Skagerak gesehen. Mein Bruder, der auch bei der Marine ist und auf Heloland stationiert ist, schreibt mir auch immer, daß sie nicht den Tag erwarten können, wo der Englisman in die Nähe ihrer Geschütze kommt, aber der wirds wohl nicht wagen.

Eben ist der Kaffee fertig geworden, nun werde ich Ihren schönen Kuchen anschneiden und gemütlich eine Tasse Kaffee mit Kuchen verzehren. In Mitau bin in verschiedenen Konditoreien gewesen, habe aber nirgends Kuchen bekommen, aber nun bin ich ja reichlich entschädigt.

Nun zu Schluß bitte ich Sie mein liebes gnädiges Fräulein mich bald wieder einmal mit ein paar Zeilen zu erfreuen.

 Mit vielen herzlichen Grüssen bin ich Ihr

 Gustav Lappat


 1.4.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Eben erhielt ich Ihr schönes Briefchen mit den dazu gehörigen Einlagen und sage Ihnen für alles herzlichsten Dank besonders das Bildchen hat mich am meisten erfreut, denn nun habe ich meine liebe Gönnerin täglich vor Augen und wenn ich das Bild bei mir trage, wird es mich wohl vor der Russenkugel bewahren, ich bin manchmal ein bissel abergläubig, aber man hat doch so soviel vom Talisman gelesen und nun ein Bildchen von zwei hübschen jungen Damen ist doch der beste Talisman.

Mit dem Notenabschreiben sind Sie aber sehr fleißig gewesen, Sie haben mir da sehr schöne Lieder gesandt; die meisten sind mir noch unbekannt und ich danke Ihnen sehr für die Mühe, die Sie sich meinetwegen gemacht haben. Entschuldigen Sie bitte schon, daß ich heute nicht meehr schreibe, mein Papier ist nämlich schon aufgebraucht, darum kann ich heute nur einen Kartenbrief benutzen.

Zum Schluß sendet Ihnen viele herzliche Grüsse Ihr

 Gustav Lappat


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 16.4.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Meine gestrige Karte werden Sie inzwischen wohl schon erhalten haben, nun danke ich Ihnen nochmals recht herzlich für Ih schönes Briefchen und ich freue mich sehr, daß Sie so fleißig schreiben. Die Briefe sind ja das einzige Band das uns mit der Heimat verbindet, wenn wir diese nicht hätten, wären wir in dieser Einöde ganz von der Welt verlassen. Heute hatten wir auch hier wundervolles Frühlingswetter, da habe ich einen Spaziergang nach dem Schüzengraben unternommen, dort ist der schönste Burgfriede. Die Infanteristen beschießen sich nicht mehr, sondern warten auf den Frieden, hoffentlich brauchen wir nicht allzulange mehr darauf zu warten. Dann war ich noch auf die Suche nach Kiebitzeiern gegangen, aber da hatte ich wenig Glück, denn ich habe keine gefunden, es liegt noch viel zu viel Schnee, da wirds den Tierchen sicher noch zu kalt sein zum Eierlegen. In Braunschweig sind Sie gewesen dort muß es doch sehr schön sein? Aber beim Zahnarzt muß es doch nicht schön sein.

Die Feldpostnummer ist bei meiner Anschrift nicht erforderlich.

Nun liebes gnädiges Fräulein entschuldigen Sie bitte die wenigen Zeilen, denn ich muß heute schon Schluß machen, andermal schreibe ich wieder mehr. Für den freundl. Gruß Ihrer Frau Mutter danke ich herzlich und erlaube mir diesen zu erwidern.

Ihnen grüßt herzlichst Ihr

                                   Gustav Lappat


 

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 15.5.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Endlich darf ich Ihnen auch wieder einen Brief schreiben, denn in den letzten 14 Tagen durften wir nur Karten schreiben und nun habe ich eine große Menge Briefe zu erledigen, denn in der ganzen Zeit hat sich eine hübsche Menge angesammelt. Ihr Paketchen mit dem schönen Kuchen habe ich auch schon erhalten, wofür ich Ihnen herzlich danke. Über den Kuchen habe ich mich sehr gefreut, denn Sie werden es wohl auch schon wissen, ist jetzt den Bäckern verboten Kuchen zu backen und da bekomme ich von dort keinen mehr und da können Sie sich ja denken, wie freudig ich Ihr Kuchenpaketchen begrüßte. Auch über Ihre Blümchen habe ich mich sehr gefreut. Bei Ihnen blühen nun schon die Veilchen, bei uns wirds damit noch lange Weile haben, denn hier schneit es noch immer und ist so kalt, daß man Handschuhe anziehen muß; heute ist der erste Tag wo es etwas wärmer ist, hoffentlich wirds recht bald warm, damit ich mit einigen Blümchen aus Rußland revanchieren kann. Ganz gern möchte ich Ihnen recht viel Neues von hier erzählen, aber man erlebt ja nichts. Augenblicklich bin ich Baumeister, ( was lernt man nicht alles im Kriege) ich baue eine Wohnung für unsere Offiziere; geschossen wird hier nicht mehr, bloß immer gebaut. Auch die Außenansicht meines Unterstandes habe ich schon angefangen zu verschönern, gestern war ich nach einem abgebrannten Dorf gewandert und habe mir aus einem Garten Stachelbeeren, Himbeeren und Johannisbeersträucher mitgebracht, diese habe ich vor meine Laube gepflanzt. Wenn sie nur wachsen würden, dann wäre es im Sommer sehr schön. Später werde ich zusehen, ob ich nicht noch mehr Blumen auftreiben kann, denn Blumen liebe ich sehr, in Königsberg habe ich immer vor meinen Fenstern Blumenkästen mit Blumen gehabt. Bei Ihnen auf der Burgruine muß es im Sommer sehr schön sein, da können Sie ja dort nach Herzenslust herumtollen. Die Weferlinger sind mir auch bekannt, denn von ihnen habe ich schon gelesen. In der Schule haben Sie jetzt wohl viel zu lernen, denn zu Ostern werden Sie doch jedenfalls versetzt worden sein und dann giebst ja allerhand neues zu lernen.

Nun seien Sie recht herzlich gegrüßt und empfehlen Sie mich bitte Ihrer Frau Mutter Ihr

 Gustav Lappat


 9.5.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Anbei schicke ich Ihnen den Kuchenkarton wieder zurück. Ich habe dafür weiter keine Verwendung und jetzt im Kriege muß man an allem sparen. Etwas muß ich ihnen noch erzählen: Ich habe eine kleines Kätzchen geschenkt bekommen, ein schönes munteres Tierchen, stundenlang kann man sich mit ihm amüsieren, allerliebst sieht es immer aus, wenn es spielt. Alle haben es sehr lieb, den ganzen Abend bekommt es keine Ruhe, jeder möchte sich mit ihr unterhalten. Das ist auch so ein kleines Stück Frieden im Kriege. Wir haben das Kätzchen „Molly“ genannt, wie gefällt Ihnen der Name?

Viele herzliche Grüße von Ihrem

 Gustav Lappat

 


 

26.5. 1917

 Sehr verehrtes Fräulein!

 Ich erhielt eben Ihr liebes Briefchen vom 16. . Herzlichen Dank dafür. „Die Tage eilen pfeilgeschwind„ ich staune, wie ich eben nachsehe, daß ichden letzten Brief am 5. d. M. An Sie geschrieben habe, das ist doch eine sehr lange Zeit her. Daß ich so lange nicht schrieb, mag wohl daran liegen, daß ich immer nur bei dem gutenVorsatz blieb, ihnen etwas zu schreiben. Hoffentlich sind Sie mein kleines Fräulein mir deshalb nicht gar zu böse.

Der Frühling ist nun endlich auch hier bei uns eingezogen, die Tage sind schon angenehm warm, so daß ich nicht widerstehen konnte ein Sonnenbad zu nehmen, wenn es so bleibt können wir Pfingsten schon im Fluß baden gehen. Wie reizend muß es jetzt aber bei Ihnen sein, denn dort muß es doch schon vieler wärmer sein als hier im kalten Rußland, ich freue mich schon sehr auf die schönen Blümchen, die Sie mir schicken. Hier wollen die Blumen noch garnicht blühen, ich war heute Mittag auf die Suche danach gegangen, aber mein Suchen war vergebens.

Heute habe ich auch photographische Platten bekommen, da werde ich morgen nun gleich einige Aufnahmen machen, in erster Linie kommt mein Gartenhäuschen, auch von klein Molly sollen Sie ein Bildchen haben. Ihre beiden Tierchen „Lorchen“ und „Hänschen“ erinnern auch mich wieder an eine schönere Zeit. Vor dem Krieg hatte ich mir einen Papagei gekauft, diesen nannte ich „Lorchen“. Ein schönes Tierchen, ich hatte ihm auch schon einiges Sprechen gelehrt, aber ich bin nicht vorsichtig genug gewesen, ich hatte den Vogel aus seinem Bauer rausgelassen, bei offenem Fenster und ging einen Augenblick fort. Als ich zurück kam war mein Lorchen fort und habe es auch nicht wiedergekriegt. Darauf kaufte ich mir einen Kanarienvogel „Hänschen“, diesen habe ich jetzt bei einer bekannten Familie in Pension gegeben, dort soll Hänschen immer fleißig singen. Das sind immer schöne Erinnerungen, hoffentlich ist der Krieg bald zu Ende, dann singt mir Hänschen wieder seine Lieder vor

Jetzt gibst doch wieder Ferien, freuen Sie sich nicht schon drauf, da werden Sie mein liebes kleines Fräulein ja auch mehr Zeit übrig haben, dann vergessen Sie mich nicht ganz und erfreuen mich mit einem Briefchen, denn ich möchte gern wissen wie Sie die schönen Pfingstfeiertage verbracht haben.

Zum Schluß wünsche ich Ihnen sowie Ihren lieben Eltern ein fröhliches Pfingstfest und verbleibe mit vielen herzlichen Grüssen Ihr

 Gustav Lappat

Mitgeschickte Bilder:

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31.5.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Ihr schönes Pfingstkärtchen erhielt ich pünktlich am ersten Feiertage, wofür ich Ihnen herzlich danke. Nun mein liebes Fräulein werden Sie doch wohl recht gern wissen wollen, wie ich diese schönen Pfingsfeiertage verbracht habe. Wenn ich sage: Diese schönen Feiertage, so habe ich diesmal garnicht zuviel gesagt,denn Petrus war uns in diesem Jahr sehr gnädig und hat das Wetter zu den Feiertagen viel zu gut gemacht. Am ersten Feiertag wurde erstmal sehr lange geschlafen, dieses ist nämlich unsere liebste Beschäftigung und am Nachmittag machte ich mit meinen Leuten einen Ausflug nach Bad Baldohn. Dorthin fuhren wir auf einem großen Kastenwagen, diesen hatten wir schön mit Birkenreiseig geschmückt. Wenn es sich auch nicht allzubest fuhr, dennauf dem Knüppelweg ist das Fahren garnicht angenehm; wenn man die Zunge nicht in Gewalt hätte, würde man sie sich abbeißen. Wir kamen aber glücklich an unserem Bestimmungsort an an, dort gingen wir zuerst in den Kintopp. Dort war natürlich garnichts los, drei Filme, die vielleicht schon manches mal durch den Apparat gelaufen sind, wurden gezeigt und diese flimmerten so, daß man sich die Augen daran verderben konnte. Angenehmer war dafür ein Spaziergang durch den Badeort. Ich glaubte gar nicht, daß es dort so schön war. Die Villen sind alle mit Gärten umgeben und diese standen gerade in vollster Blütenpracht und dann die Parkanlagen, diese sind herrlich. Wenn die See noch da wäre, könnte man denken, man befindet sich in einem Ostseebad. Dann befindet sich dort noch eine Schwefelquelle, ein großes Kurhaus und ein Schloß, auch ein York Denkmal befindet sich in der Nähe.

Also haben wir am ersten Feiertag einen ganz schönen Genuß gehabt. Am 2. Feiertage mußte ich zuhause bleiben und da haben wir uns die Zeit mit musizieren, singen und Skatspielen vertrieben.

Doch nun ist mein Papier zu Ende. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich hiermit schließe und seien Seien Sie bestens gegrüßt von Ihrem

 Gustav Lappat


 28.6.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Daß ich Ihnen so lange nicht schrieb, sondern nur bei meinen guten Vorsätzen blieb, Ihnen einen Brief zu schreiben, lag wohl daran, daß wir jetzt immer solch schönes Wetter haben, wo man lieber sich im Freien tummelt, als Briefe schreibt. Da darf ich nicht annehmen, daß Sie meine Schreibfaulheit diesmal nicht so hart verurteilen werden, ich verspreche Ihnen auch mich zu besseren.

Hier bei uns ist der Sommer schon ganz und gar eingezogen und für uns die schönste Zeit. Arbeitsdienst haben wir bloß 6 Stunden am Tag, drei vor und drei nachmittags, die übrige Zeit haben wir für uns. Ich nehme jeden Tag Sonnenbäder, darum bin ich schon so braun wie ein Neger geworden, und dann haben wir einen Schleuderball da wird abends tüchtig gespielt, ebenso giebt unsere Hauskapelle jeden Abend ein Konzert, darum haben wir wenigstens einen Nutzen gehabt, denn alle Mäuse und Ratten haben das Weite gesucht, deswegen scheint Molly böse zu sein, denn sie läßt sich den ganzen Tag nicht seheh, sondern streift jetzt nur in dem Wald umher.

Die versprochenen Bilder kann ich Ihnen immer noch nicht schicken, denn der Photograph hat sie mir bis jetzt noch nicht geschickt, ich glaube die werden wohl auf der Post verloren gegangen sein, da werde ich nun ein paar neue aufnehmen. Ich habe auch einige Aufnahmen von Granaten, die bei uns eingeschlugen gemacht, ich weiß aber noch nicht ob sie mir gelungen sind, wenns sie gut geworden sind schicke ich Ihnen auch eins davon. Bei Ihnen muß es jetzt doch sehr schön sein, nicht wahr? Jetzt müssen Si doch auch schon Sommerfrien haben, da haben Sie ja die schönste Zeit draußen herumzutollen. Auf meinen Urlaub warte ich auch schon sehnsüchtig, aber immer will er noch nicht kommen. Ich will dann an den Ostseestrand fahren, dort ist es im Sommer auch sehr schön und die übrige Zeit werde ich wohl in Königsberg verleben, denn ich möchte auch mal unter Menschen kommen. Mein Bruder sagte immer , wenn er von Helgoland auf Urlaub kam und ich mit ihm zusammen an den Strand wollte, „Die See will er garnicht sehen, die sieht er jeden Tag, aber Menschen will er sehen.“ Nach meiner Heimat werde ich diesmal nicht fahren, denn dort habe ich keine Angehörigen mehr, dort finde ich nur die Gräber meiner Eltern

Ich schicke Ihnen am Sonntag ein Paketchen mit Erdbeeren, die ich hier in unserem Wald gesammelt hatte, nehmen Sie diese als Dank für die schönen Kuchenpaketchen, die Sie mir schickten und lassen Sie sich diese gut schmecken, vorausgesetzt, daß sie heil dort ankommen. Sie können dann sagen, daß Sie Erdbeeren, die in Rußland gewachsen sind, gegessen haben.

Wie geht es Ihrem Herren Bruder bei der Marine?

Nun werde ich aber für heute schließen mit der Bitte mir auch bald einige Zeilen zu schicken.

Zum Schluß empfehlen Sie mich bitte Ihren Eltern und seien Sie nochmals herzlichst gegrüßt von Ihrem

 Gustav Lappat

 


 

4.7.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Ich empfing heute Ihr Paketchen mit Eiern (?), sowie Ihren lieben Zeilen vom 23. Juni und die beiden Bilderchen. Haben Sie für alles vielen, vielen Dank. Wie freute ich mich, als ich das Paketchen öffnete und diesen, jetzt so seltenen Inhalt erblickte! Nun kann ich wieder für ein paar Tage gu leben. Über die Bilder freute ich mich auch sehr, besonders das Bild, auf dem Sie mit ihrem Fräulein Schwester allein drauf sind, gefällt mir sehr, denn ich finde Sie mein gnädiges Fräulein darauf entzückend. Auch das Haus in dem Sie wohnen, hat einen ganz aparten Stil, wie man ihn in Ostpreußen garnicht findet. Giebts denn in Braunschweig noch mehrere solche Häuser? Vielleicht habe ich später einmal die Gelegenheit nach Braunschweig zu kommen und mir die Schönheiten dort anzusehen. Mit meiner Krankheit ist es garnicht so schlimm gewesen, denn jetzt bin ich wieder kerngesund. Hoffentlich impfen sie uns nicht so bald wieder, denn davon werde ich immer krank. Wie Sie wohl schon aus der Zeitung erfahren haben werden, fängt der Krieg jetzt auch wieder an, vorerst sind ja nur Kämpfe bei Lemberg aber bei uns im Norden wirds wohl auch bald losgehen. Wir warten jeden Tag auf einen Angriff

Zum Schluß sendet Ihnen noch viele herzliche Grüße Ihr

 Gustav Lappat


 1.9.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Vielen herzlichen Dank für Ihr schönes Briefchen vom 27. , dieses brachte mir die Post im stärksten Trommelfeuer. Entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie so lange auf einen Breif habe warten lassen, eigentlich bin ich aber garnicht selber schuld daran. Im vergangenen Monat bin ich auf Urlaub gewesen, dort bin ich so in Anspruch genommen worden, daß ich garnicht dazu gekommen bin einen Brief zu schreiben. Auch eine Neuigkeit muß ich Ihnen erzählen: Ich habe mich verlobt, darum ist mir der Abschied diesmal besonders schwer gewesen, ganz gern wäre ich noch in der Heimat geblieben, aber die Pflicht reißt einen immer wieder von den Lieben daheim fort. Als ich zurückkam, wollte ich Ihnen recht viel von meiner Heimat erzälen, aber zu meinem größten Bedauern mußte ich erfahren, daß keine Briefe befördert werden, meine Braut hat auch bis heute keinen einzigen Brief von mir bekommen, diese werden all zurückgehalten. Wie lange es dauern wird bis Sie diese Zeilen bekommen werden bin ich doch neugierig

Heute will ich Ihnen nicht all zu viel erzählen, denn ich weiß ja nicht, ob der Brief überhaupt ankommt, auch bin ich sehr müde, denn der Tanz geht hier bei Riga los, 12 Stunden haben wir in einer Tour geschossen, auch nachher haben wir nicht viel Ruhe bekommen, augenblicklich ists etwas still und da kann ich denn einen Brief schreiben. Der erste Angriff ist vorzüglich gelungen, morgen gehts weiter, vielleicht feiern wir Weihnachten in Petersburg. Die Zeitung wird Ihnen ja schon alles erzählt haben, wie es gegangen ist. Sie finden also die Heide auch sehr schön, ich auch, wir haben an unserem Ostseestrand bei Rauschen (Ostpr.) eine wunderschöne Heide und wenn die im Herbst blühte, bin ich oft dorthin gewandert. Auch hier in Kurland habe ich das Vergnügen sie zu bewundern, denn wir stehen hier mitten darin.

Für heute muß ich denn schließen, später erzähle ich mehr.

Viele herzliche Grüße. Ihr

 Gustav Lappat

 


 

18.9.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Meinen herzlichen Dank sage ich Ihnen für Ihr liebes Briefchen vom 8. Ich danke Ihnen auch für die Glück- und Segenswünsche die mir und meiner Braut auf den Weg mitgeben. Auch für das Bildchen sage ich Ihnen schönen Dank. Darauf sind Sie alle ja sehr schön getroffen. Ich habe in letzter Zeit keine Aufnahmen mehr gemacht, denn jetzt wo wir immer unterwegs sind, läßt sich das schlecht machen. Wir führen jetzt ein richtiges Wanderleben, eine Wohnung haben wir nicht mehr, sondern müssen immer im Zelt schlafen und dazu regnet es noch jeden Tag.

In den schönen Riga haben wir uns nicht lange aufhalten dürfen, ganze 3 Tage waren wir dort und in diesen haben wir noch 2 Paraden mitmachen müssen, eine vor unserem Armee-Kommandeur und eine vor Sr. Majestät. In Riga hats mir sehr gefallen, es war gerade so als ob man auf Urlaub wäre, denn überall wurde man in unserer Muttersprache angeredet. Die Bevölkerung freute sich sehr, daß wir die Russen von dort vertrieben hatten.

Wir dachten, wir würden noch immer weiter mit vorgehen, aber nein, wir machten wieder den Marsch den wir vorher gemacht hatten, diesmal zurück, und noch ein Stück weiter bis zu Bahnhof, an dem Tage haben wir 45 km gemacht. Dort wurden wir verladen und fuhren mit der Bahn weiter südlich. Wo ich jetzt mich befinde darf ich vorläufig noch nicht sagen, Sie werden es aber durch die Zeitung erfahren. Wie unser U- Bootkrieg in Rußland wirkt, sieht man an den Lebensmittelpreisen, die die Bewohner dort zahlen müssen, z.B. kostet ein Pfund Butter 11 Mark, ein Ei 70 Pf., Schweinefleisch das russische Pfund (400 gr ) 7,50 M. , Wurst bekommt man unter 12 Mark kaum, Schokolade und Konfitüre gibts auch noch, aber ein dünne Tafel Schokolade kostet 6 Mark, da können Sie sehen, daß unsere U-Boote nicht umsonst draußen sind.

Bei Ihnen ist denn ja eine schöne Zeit, wenn Sie keine Schule haben für die Grippekranken muß es nicht so schön sein. Man hört doch jetzt nun allermeist, daß in den Städten die Ruhr herrscht, in Königsberg sind auch schon wieder Fälle vorgekommen.

Zum Schluß bitte ich Sie noch auch Ihre Eltern schön von mir zu grüßen und lassen Sie sich bitte recht bald wieder hören.

Viele herzliche Grüße von Ihrem

 Gustav Lappat


 6.12.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Da wir am Sonntag verladen werden und die Ostfront verlassen, will ich Ihnen von hier noch ein paar Zeilen schreiben; Die letzten die ich Ihnen von der Front, die mir in den 3 ½ Jahren sehr lieb geworden ist. Jetzt werden wir wohl tagelang auf der Bahn liegen müssen und dann wer weiß wo wir uns herumschlagen, da wird wohl an ein Schreiben nicht zu denken sein. Wenn ich aber an Ort und Stelle bin, gebe ich Ihnen gleich Nachricht, denn Sie werden doch wohl gern wissen wollen, auf was für einen Kriegsschauplatz ich dann weiterkämpfe. Die Friedenverhandlungen mit den Russen sind in vollem Gange, vielleicht haben wir noch in diesem Jahr Frieden.

 Viele herzliche Grüße von Ihrem

 Gustav Lappat


 20.12.1917

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Die Post brachte mir heute Ihr liebes Briefchen vom 17. und ich sage Ihnen dafür meinen herzlichsten Dank. Schon der weihnachtliche Scmuck hat mich sehr erfreut. Man sieht, daß es nun bald Weihnachten ist, aber hier die ganze Umgebung hat nichts was einen in Weihnachtsstimmung versetzen kann, überall wo man hinblickt, sieht man weiter nichts wie kalte Mauern und dürre Bäume. Da war es in Rußland in dieser Beziehung schöner, dort wohnten wir im schönen grünen Wald, der im Winter gerade am schönsten aussieht, während wir hier in einer Kaserne eingesperrt sind. Letzteres empfinde ich, als Naturfreund um so schmerzlicher. Ich will Ihnen heute etwas von meiner Reise vom Osten nach dem Westen erzählen. Sehr angenehm war die Fahrt natürlich nicht, denn 6 Tage und 5 Nächte im Bahnwagen sitzen ist garnicht so schön. Die Reise ging über Königsbeg, Berlin, Koblenz nach Metz. Der schönste Teil der Fahrt war das Werra und Moseltal. Dort führt die Bahn immer den Fluß entlang, zu beiden Seiten erheben sich hohe Berge, besetzt mit Weinstöcken und im Tal reihen sich Dörfer an Dörfer. Schö wärs gewesen, wenn wir im Sommer gefahren wären, denn die Häuser sind alle mit Gärten umgeben und wenn die Bäume und Blumen in Blüte stehen, muß der Anblick wundervoll sein. Jetzt war aber die meiste Zeit finster, da habe ich in den schönen Gegenden nicht viel sehen können, gerade, von Koblenz bis Trier, die schönste Strecke fuhren wir in der Nacht. Jetzt befinden wir uns in einem Vorort von Metz. Ob wir bald an die Front kommen weiß ich noch nicht. Der Kanonendonner ist von hier auch zu hören, aber an der Front scheint es jetzt ruhig zu sein, denn ich habe mir das viel schlimmer vorgstellt.

Daß ich die Kerze bekommen habe, schrieb ich Ihnen schon, soll der Brief etwa verloren gegangen sein. Den Brief mit der Adresse habe ich noch nicht bekommen,hoffentlich kommt er noch an.

Augenblicklich sind wir mit Licht versorgt, denn wir haben hier elektrisches Licht.

Nun zum Schluß wünsche ich Ihnen ein recht fröhliches Weihnachtsfest, hoffentlich ist dieses die letzte Kriegsweihnacht, und sende Ihnen sowie werten Eltern die herzlichsten Weihnachtsgrüsse

Ihr

 Gustav Lappat


 21.1.1918

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Endlich komme ich dazu auf Ihr Briefchen vom 28. Dez. zu antworten. Ob es mir im Westen gefällt, möchten Sie wissen. Darauf kann ich nur sagen „Nein !“ Ich bin jetzt 14 Tage in der Stellung gewesen, aber ich habe davon schon genug.. Es regnete den ganzen Tag und in dem aufgewühlten Trichterfeld herumzulaufen ist nicht schön, man verliert die Stiefel. Und unsere Behausungen erst, dieses sind Stollen, die in den Felsen getrieben sind, darin ist es aber so eng, daß man sich kaum hinlegen kann. Und dann wird dauernd geschossen. Im Osten hatten wir es da viel besser, da hat man wenigstens seinen Unterstand gehabt, wo man nachts vernünftig hat schlafen können. Nun bin ich abgelöst, und bin für 14 Tage hinter der Front. Hier ists zwar nicht viel besser, aber man kann nachts wenigstens ruhig schlafen.

Das Weihnachtsfest habe ich diesmal in Metz verlebt, wir hatten eine ganz schöne Weihnachtsfeier.

Bei Ihnen muß es ja auch schön kalt sein, daß Sie Schlittschuhlaufen können, ich glaubte in Braunschweig kennen Sie den Sport garnicht. In meiner Heimat muß es jetzt auch furchtbar kalt sein. Meine Braut schreibt mir, daß dort solch Schnneetreiben gewesen ist wies schon lange nicht war. Hier dagegen ist garkein Schnee zu sehen. Das Wetter ist so schön wie in meiner Heimat im Mai, es wird nicht mehr lange dauern dann sind die Bäume grün. Eine blühende Blume habe ich schon gefunden.

Wie steht es eigentlich mit dem Frieden? Wir warten hier jeden Tag darauf aber immer will noch nichts werden.

Zum Schluß eine schöne Empfehlung an Ihre Eltern und viele herzliche Grüße von Ihrem

 Gustav Lappat

 


 

22.2.1918

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Herzlichen Dank für Ihr liebes Briefchen vom 10. . Ich glaubte schon Sie wären mir böse, denn ich habe schon so lange nichts mehr von Ihnen gehört, nun sehe ich, daß Sie keine Zeit hatten, sondern immer fleißig für Ihre Schule gearbeitet haben. Ich bin jetzt auch ein Schüler geworden und zwar Sanitätsschüler. Ich bin jetzt in einem Feldlazarett und werde hier in die Geheimnisse des Sanitätswesens eingeweiht. Hier bleibe ich bis zum 5. April, wenn Si in der Zeit ein Briefchen an mich schreiben benutzen Sie doch bitte meine neue Anschrift, dann bekomme ich es schneller hier her.

Man kann hier im Lazarett nicht genug vorsichtig sein, z.B. hatte ich eine kleine Wunde, diese war so unscheinbar, daß ich sie garnicht beachtet habe, dabei kam etwas in diese hinein, was nicht hinein gehörte und ich bekam gleich die schönste Blutvergiftung. Die Folge davon war, daß ich ganze Tage im Bett liegen mußte und mir dort der Arm hochgebunden wurde. Jetzt bin ich aber wieder mobil. Für die Folgezeit werde ich aber vorsichtiger sein. Sonst geht es mir aber hier ganz gut. Es ist eine richtige Erholung so eine Zeitlang hinter der Front zu verbringen.

Für heute muß ich schon Schluß machen, ein andermal schreibe ich wieder mehr.

Viele schöne Grüße von Ihrem

 Gustav Lappat


 Juvigny 4.4.1918

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Eben brachte mir die Post Ihr liebes Briefchen vom 30./III und ich sage Ihnen dafür meinen herzlichen Dank. Ich freue mich sehr, daß Sie mich wieder einmal mit solch einem schönen langen Brief erfreuen. In letzter Zeit kam ich mir schon ganz verlassen vor, denn durch die Postsperre war ich ganz und gar von der Heimat abgeschnitten, nicht einmal die Briefe von meiner Braut kamen an. Jetzt, wie die große Offensive begonnen hat, scheint die Post wieder zu funktionieren. Ist diese Waffentat nicht glänzend? Das Gelände das uns die Engländer in 15 Monaten abringen konnten, haben unsere Truppen in 7 Tagen wiedergeholt. Das ist doch der beste Beweis, daß wir immer Sieger bleiben werden. Ich bedaure, daß ich nicht auch dabei sein konnte, denn unter Exzelenz Hutier zu kämpfen ist ein Vergnügen. Daß die Einnahme von Riga so schnell erfolgte, war auch seiner genialen Führung zu verdanken, dort war meine Batterie auch bei seiner Armee.

Aber mein Aufenthalt im Lazarett bedauere ich auch nicht, denn jetzt habe ich den Krieg auch von dieser Seite kennen gelernt und gesehen was dieser schreckliche Krieg für Leiden und Schmerzen schafft und der Sanitätsdienst ist doch ein Werk der Liebe.Meine Tage sind hier aber schnell gezählt, denn am 15. muß ich wieder zu meiner Batterie zurück.

Wenn Sie dann wieder an mich zu Schreiben belieben, dann benützen Sie bitte meine alte Anschrift. Und nun Gottes Segen auf Ihrem neuen Lebensweg, mögen alle Ihre gute Wünsche und Hoffnungen in Erfüllung gehen.

Zum Schluß grüßt Sie vielmals herzlich Ihr

 Gustav Lappat


 31.5.1918

 Sehr geehrtes Fräulein!

 Nun bin ich schon einige Tage bei der Batterie gewesen. Gewesen, denn jetzt bin ich wieder im Lazarett und zwar habe ich zuviel Gas gerochen aber sehr schlimm ist es mit mir nicht, nach einigen Tagen bin ich wieder mobil. Ich freue mich, daß ich für ein paar Tage aus der Höhle am Kempasberg (?) rausgekommen bin, denn dort ist nichts los. Ihr Pfingstpaketchen bekam ich noch am Tage vorher als ich krank wurde und ich sage Ihnen dafür meine herzlichsten Dank. Ich freue mich sehr, daß Sie immer noch einmal an mich denken. Es ist ja auch die einzige Freude die man hier hat, wenn man eine liebe Zeile aus der Heimat bekommt.

Die neue Offensive hat ja auch schon begonnen, hoffentlich bringt sie einen noch noch größeren Erfolg als die erste und den Frieden.

 Viele herzliche Grüße von Ihrem