V. Die Höfe, ihre Besitzer und die Dorfbewohner

 Es ist sicher, daß außer den in der obigen Schenkungsurkunde von 1331 genannten Höfen Nr. ass. 1 bis 3 auch schon im frühen Mittelalter Hufengrundstücke mit Litonen vorhanden waren, die dem Herren auf Burg Weferlingen dienstpflichtig waren. Die um 1750 vom Herzog eingerichtete Landes-Brandkassenversicherung hat mit ihrer nach den Erbregistern geschehenen fortlaufenden Numerierung der Höfe der geschichtlichen Entwicklung folgerichtig entsprochen. Diese ging von numero assecurantiae, d. h. Versicherungsnummer 1 bis zum Hof Nr. 9. Was später hinzukam, kennzeichnet nicht mehr die ursprünglichen Verhältnisse.

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Abb. 4 Dorfgrundriss um 1767 (Nach Flurkarte Staatsarchiv Wolfenbüttel)

 Weferlingen hatte bis zur Separation somit 4 Ackerhöfe, 1 Halbspännerhof und 4 Kothöfe.Allerdings muß beachtet werden, daß aus Urkunden und Amtsakten ersichtlich wird, wie Verschiebungen in der Hofgröße seit dem Mittelalter oft vorgekommen sind, daß „wüst” gewordene Hufen zu den Höfen hinzugelegt wurden usw.

Wenn nun die nach Meierrecht dienst- und abgabepflichtigen Höfe Weferlingens kurz aufgezählt werden, so finden sich Besitzernamen, die bis in die jüngste Zeit im Dorf vorkamen. Insbesondere ist das so bei dem

Hof Nr. ass. 1: Ackerhof von 8 Hufen (1754 = 205 Mrg. Meierland) Grund- und Zehnt- herr Kloster St. Crucis. Besitzer nach Erbregister 1566 Hans Papst (Pawst), zinst 5 Scheffel Weizen, Roggen, Gerste und Heu. Um 1630 Wilhelm Papst, 1652 Thomas Moshake, 1685 (Landesbeschreibung) Heinrich Moshake, 1716 Henning M., 1754 Franz M., 1825 Matthias M., 1888 Andreas M., zuletzt Otto M. Sen. Und jun. Sowie Günther M., der den alten Hof aus Erbteilungsgründen und andern Umständen in mehrere, jetzt verpachtete oder verkaufte Teilstücke auflösen mußte. Das alte Wohnhaus mit z. T. Steinerner Grund- mauer ist nach einer Inschrift über der Tür zum Garten 1703 renoviert worden.

Nr. ass. 2: Halbspännerhof, vorher. Kothof mit 2 Hufen vom Kreuzkloster, wozu später 2 Hufen vom Kloster St. Ägidien in Braunschweig gelegt wurden. 1569 (Erbregister) Hans Koch, 1685 Bernd Koch, 1754 Hennig Wilke, 1825 Heinr. Andreas W., 1875 Heinr. W..um 1904 von Robert Schulze aus Unseburg bei Magdeburg erworben. Er war ein unge- heuer korpulenter und zu Späßen geneigter Herr, dessen Aussprüche beim Skat wie Sprichwörter die Runde machten. Einer davon war: „Botter is tau allen Dingen gut, man bloß nich tau’n Obensetten” (Ofensetzen)! Sein Sohn Otto, der sein Nachfolger war, fiel im 1. Weltkrieg. Dessen Witwe geb. Olfe heiratete Hermann Lühr, von dem um 1928 den Hof für einige Jahre eine Familie Link erwarb die aber, nachdem ein Brand die Hofscheune teilweise zerstört hatte, wieder fortzog. Jetzt Voges.

Nr. ass. 3: 1566 Ackerhof von 8“ Hufen. Zehnt- und Grundherr war das Kreuzkloster vor Braunschweig. Zuerst 1566 Harmen Koch („Eine Borchstede, darauf ist eine Scheuer gebawet, darin wirt der Zehendt gefürt”!) 1569 Hans Koch. 1688 Heinrich Koch. Er-lei- stete 2 Tage Spanndienst wöchentlich (!) oder 30 Thaler. Burgveste jährlich 4 Spanntage.Heinr. Koch starb 1728 mit 97 Jahren. Mit Familienangehörigen hatte er einen lang- wierigen Rechtsstreit um das Altenteil zu führen, dessen Akten teilweise erhalten sind.Leider kam und kommt Ähnliches in bäuerlichen Familien nicht selten vor, doch sind zuweilen auch hochadlige Kreise nicht besser daran. 1708 bis 1739 Heinr. Julius Koch, dann Hennig Langelüddeke aus Kl. Vahlberg, dessen Sohn Regine Koch heiratet. 1754 Jakob Langelüddeke (gest. 1764). Dessen Schwiegersohn Andreas Schliephake adoptiert nach dem Tode aller seiner eigenen Kinder, die an Pocken oder Diphterie sterben, seine Nichte Christine Auguste Langelüddeke. Diese heiratet 1799 Peter Konrad Ludwig Barnstorf aus Atzum (1775 – 1806), Andreas Barnstorf (1801 – 1845), für den während seiner Unmündigkeit sein Stiefvater Matthias Stichel aus Eilum eintrat. Sein Sohn Friedrich Barnstorf ist oben mehrfach erwähnt. Er starb kinderlos 1883 an Blutvergiftung. Seine Witwe Auguste geb. Quidde, ganz alten Weferlingern noch als die Tante Barnstorf bekannt und wegen ihrer herzlichen Freigebigkeit geschätzt, vererbte den Hof ihrem Neffen Willi Barnstorf (1866 — 1924), dann Wilhelm Barnstorf (1902 — 1954), jetzt Dorelies Barnstorf.

Nr. aas. 4: Das Mühlengrundstück, an der Südwestecke der Burganlage seit jeher durch. Den seit längerer Zeit stillgelegten Mühlbach, eine Ableitung. Aus der Altenau, getriebene Mahlmühle mit 2 Gängen. Ein Kothof mit 21/2 Hufen. 1249 verkauft Herzog Otto dem Kloster Riddagshausen Land in Offleben und entschädigt die dortigen Litonen mit dem Weferlinger Mühlengrundstück. (Asseburger Urkundenbuch). 1318 im Lehnsbuch Herzog Ottos erwähnt. 1566 (Erbreg.) Erbenzinsmühle mit 2 Gewinden Carsten Müller, 1670 Hans Sander, 1720 Franz Sander, Kornschreiber (=Zehntmaler) beim Dom- stift St. Blasii in Braunschweig. Seitdem bis zur Ablösung ständig von den Sanders verpachtet, 1767 verkauft Hauptmann Sander die Mühle an Ackermann Quidde aus Eilum für 6000 Thaler. Dann wieder Pächter 1772 Joh. Heinr. Massberg, 1776 Andr. Oppermann, 1802 Chr. Wehmann, 1806 Andr. H. Rieder, 1825 Matth. Herbst, Eilum, 1856 Andr.

Ouidde, 1880 Chr. Lochte, um 1905 Fleige, dem die Stallungen nach meiner Kindheits- erinnerung 1907 abbrannten. Die Dorfbewohner nannten ihn „Fleige-Brömmer an de Wand“, doch weiß ich den Anlaß dazu nicht mehr anzugeben. Dann erwarb der Steil- macher Andreas Kasten Mühle und Land dabei. Seitdem Willi Kasten, jetzt Das Mühlengrundstück ist das zuerst urkundlich bezeugte Grundstück Weferlingens. Sein altes, restaurierungswürdiges Fachwerkhaus von etwa 1680 ist in den „Bau- und Kunst- denkmälern“ von 1903 beschrieben und 1958 in einem Bilderheftchen über den Kreis Wolfenbüttel abgebildet. Die Abbildungen Nr. 11 und 12 sollen es als ältestes, noch stehendes Haus des Dorfes festhalten. Dabei rauscht in die Idylle zwischen Barnstoıfs Schafstall und den Bäumen der Burgstelle noch der Mühlenbach hinein, dessen fast 1090 Jahre fließendes Wasser wie so vieles vor den wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte versiegen mußte. Den Windmühlen unseres Landes ist es nicht anders ergangen, auch wenn heute noch vor dem Westhimmel bei Dettum sich drehende Flügel einer der letzten ihres Stammes zu sehen sind. In der Dettumer Mühle saß lange der alte Roßmann, der auf den Weg zum Bahnhof – er ging durch seine Wiese – ein scharfes Augenmerk hatte. Er schüchterte ängstliche Fahrschüler so um 1920 mit Beschimpfungen ein, fügte dann aber besänftigend hinzu:,Dauen dau ik jüch nist, aber betalen mött ji!“

Nr. ass. 5: Im Corpus bonorum der „Große Hof“ genannt. Zehntherr 1566 das Kloster Diesdorf bei Magdeburg. Seit dem 1. Drittel des 17. Jahrhunderts zins- und lastenfreier, sog.„schriftsassenhof”, nachdem Herzog Friedr. Ulrich dem Käufer des Hofes, dem Festungs- kapitän zu Wolfenbüttel-Heinrichsstadt Christoph von der Streithorst, die Lastenfreiheit verliehen hatte. Die von der Streithorst, die überall in der fruchtbaren Gegend unserer Heimat Grundbesitz zu erwerben wußten, sind mit ihren Ausbeutungsmethoden, die bis zur Münzfälscherei gingen, in der Zeit des beginnenden 30-jährigen Krieges als die be- trügerischen Landdrosten, die Kipper und Wipper, zur bösen Erinnerung geworden. Sie mußten dann ihre Taten mit Tod im Gefängnis büßen. 1625 ist dann auch schon der Hofsekretär Leonhardt, Hofinhaber. 1650 Leonhardts Erben, 1662 der Amtsrat Schottelius, 1741, Schottelii Erben, 1748 Pächter H. J. Wilke (Besitzer von Nr. 2), 1762 kauft Joh. Heinr. Gifhorn den Hof für 6000 Thaler. 1823 Engel- brecht Gifhorn, 1846 H. Andr. Jul. Gifhorn. 1865 wurde der Hof verkauft an Ludolph von Münchhausen auf Groß-Vahlberg. Er war dann verpachtet, zusammen mit den gleich- falls von Münchhausen erworbenen Höfen Nr. 6 und 7, zuerst von 1880 – 1897 an den Ackermann August Wolff in Dettum, dann von 1897 – 1924 an Willi Barnstorf, von 1924 – 1935 an dessen Sohn Wilhelm Barnstorf und seit 1935 an Wilh. Isenberg. Das Wohnhaus des Hofes Nr. 5 war bis zum Bau des jetzigen Gutshauses durch Willi Barnstorf (1900) das in seinem heutigen Bestand ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammende, allerdings in seiner Rückseite wesentlich umgebaute, unmittelbar südlich des heutigen Stallgebäudes gelegene Haus mit der Fachwerkfront. Mein Vater wohnte darin mit seiner Mutter, bis das neue Haus (erbaut vom Kreismaurermeister Decker in Groß-Vahlberg) fertig war.Später wohnte vorn darin der Hofmeister des Gutshofes, während die Rückseite für die jedes Jahr wiederkehrenden polnischen Saisonarbeiter eingerichtet wurde, die von 1900 ab bis zum1. Weltkrieg das waren, was man heute Gastarbeiter aus südeuropäischen Ländern nennt. Auf der Rückseite dieses Bauernwohnhauses lag ein Garten, der von einer Mauer umgeben war. Teile davon sind noch heute vorhanden. Auch hier hat die Gemeinde Weferlingen seit kurzem durch Rosenbüsche und andere Anpflanzungen mit Bänken eine schöne Stätte geschaffen. Früher ertönten hier die wehmütig-melodischen Volkslieder der an Heim- weh leidenden Polen. Dies alte Haus blieb bei dem Brande der Scheune im Jahre 1874 erhalten, die damals (vgl. Abb. 4) dem Hof Nr. 3 eng benachbart lag.

 Nr. ass. 6: Ursprünglich Halbspännerhof (1566), zusammengesetzt aus einem Kothof, der der Kirche in Weferlingen gehörte, und einem „wüsten“ Hof des Domstiftes St. Blasii in Braunschweig mit 2 Hufen. 1566 Hans Schurmann, dann Andreas Sch., 1685 Heinrich Achilles, 1710 Franz Achilles, 1825 Joh. Heinr. Eppers, seit etwa 1830 Gifhorn, dann Hein- rich Röber, 1872 Ludolf von Münchhausen. Das Wohnhaus, an das sich nach Süden ein mauerumfriedeter Garten anschloß, steht noch westlich der unteren Einfahrt des heutigen Isenbergschen Pachthofes.

 Nr. ass. 7: Kothof. 1566 4 Hufen, daher eigentlich wohl Halbspännerhof. Zehntherr Kloster St. Cyriaci vor Baunschweig, etwa hinter dem alten Hauptbahnhof gelegen und bei einer Belagerung abgerissen. (Cyriaksring). 1566 Barthold Roleffs, um 1620 Henning Brackmann, danach von Streithorst, 1685 Franz Achilles, 1710 Jakob Achilles, 1754 Franz Achilles, 1775 Joh. Henning A. (damals Kornzehnten an Kloster St. Crucis), 1825 Joh. Heinr. Eppers, 1852 Fr. Beddies, 1857 Ackermann H. Bartels, seit 1865 v. Münchhausen. Wohnhaus und später Stall- und Scheunengebäude vor etwa 10 Jahren vom Pächter W. Isenberg abgebrochen. Der Viehstall mit scheunenartigem Oberbau war mit seiner charakteristischen Eichenbalken-Galerie eine Gebäudeform, die als Galerie-Stall in unserer Gegend verhältnismäßig selten vorkommt. Sie ist Gegenstand baugeschichtlicher Untersuchungen geworden. Erfreulicherweise kann die Abb. 14 den abgebrochenen Stall noch einmal zeigen.

Die früheren Höfe Nr. 5, 6 und 7 wurden seit 1865 durch den Ankauf der Familie von Münchhausen (Lauenau-Groß-Vahlberg) zu einem gemeinsamen „Rittergut“ vereinigt und sind es auch geblieben, als von Münchhausen 1952 diesen Besitz an die „Braunschweig- Stiftung“ verkaufte. Man könnte in dieser Übertragung des Eigentums an altem, bäuer- lichen Familienbesitz in die anonyme Hand einer staatlich konzessionierten Vermögens- verwaltung nichts Anderes sehen, als einen Akt, wie er im Mittelalter so oft bei der „Tradition“ von Grundrechten an die anonyme Kirchen- oder Klostersozietät geschah. Aber er ist in der Geschichte bäuerlichen Eigentums in einem kleinen Dorf doch mehr: er bedeutet, daß wieder eine Epoche der Dorfgeschichte vorüber ist. Aus Herrenbesitz ward Bauernbesitz. Und daraus wird nun wieder Besitz überindividueller Verwaltungen, die nichts mehr an die Dorfgemeinschaft bindet. Es ist der bittere Weg vom Individua- lismus zum Kollektivismus, den unsere harte Zeit von so vielen Menschen und Einrichtungen fordert.

Nr. ass. 8: Kothof mit (1685) 12 Morgen Land vom Kreuzkloster und 28 Morgen von der Propstei Gandersheim. 1566 Kurt Segger, später Hennig Stödecken, 1685 Hans Isensee, 1767 Matthias Moshake, 1772 Joh. Heinr. Friedrichs, 1825 Kurt Friedrichs, 1878 Heinrich Meier, etwa seit 1909 Ludwig Blöhbaum sen. Aus Eilum, heute Ludwig Blöhbaum jun. Das Wohnhaus aus dem 17. Jahrhundert istin den „Bau- und Kunstdenkmälern” beschrieben.

Nr. ass. 9: Kothof mit Y2 Hufe. Grundherr Kreuzkloster. 1566 Carsten Müller (Müller in Nr. 4.) und Harmen Koch, der auf dem Pfarrwitwenhof wohnte. 1685 noch bei Hof Nr. 4, auch 1767 (=eine halbe Hufe oder 15 Morgen), 1813 Joh. Friedr. Wunderling, früher Ackerknecht in Eilum. 1825 Friedrich Wunderling, 1847 derselbe, 1852 Wilh. W., 1885 Christian W. Um 1925 Richard W. Jetzt Gastwirtschaft Kretzer. Bild (um 1921) vgl. Abb. 13.

Nr. ass. 10: Ursprünglich und bis zum Bau des jetzigen Lehrerhauses (1853) Wohnhaus des Opfermannes, der gleichzeitig auch Lehrer war (s. Abschnitt „Schule“). Die Opper- männer unterrichteten die Dorfkinder in ihrer Wohnstube. Sie waren oft im Haupt- beruf Leineweber, Schneider oder ehemalige Soldaten, die als Veteranen von einem kleinen Gnadensold lebten und sich kümmerlich durchschlagen mußten. Der älteste, be- kannte Opfermann Weferlingens ist 1653 Dierich Pethe. Das Opfermannhaus ist dem Bombenabwurf 1944 zum Opfer gefallen, aber durch den Besitzer Bormann mit einem Neubau ersetzt. Auf Bild 13 sieht man außer dem noch stehenden Wohnhaus der jetzigen Lehrerfamilie.Unger dahinter das alte „Schulhaus“ und den Turm der gleichfalls ver- schwundenen Kirche hervorragen.

Die bis ins Mittelalter urkundlich verfolgbaren Hofgrundstücke enden mit Nr. ass. 9. Das Dorf ist immer eines der kleinsten im ehemaligen Herzogtum Braunschweig geblieben. Es zählte 1802 nach Hassel-Bege 179 Einwohner. 1863 waren es 129 und 1897 sogar nur 123. 1900 wohnten 172 und 1939 204 Menschen dort. Die schlimmen Jahre des 2. Welt- krieges und der Jahre danach ließen durch Evakuierte und Heimatvertriebene aus Ost- deutschland dann die Einwohnerzahl beträchtlich ansteigen. So finden wir 1950 auf dem gleichen Wohnraum wie früher 320 Menschen, 1956 noch 230, aber 1964 wieder 183 Einwohner. Die Tendenz geflüchteter Familien, aus Berufs- und anderen Gründen wieder vom Dorfleben in städtische Verhältnisse und aus dem wirtschaftlich gefährdeten Zonen- randgebiet in westlich gelegene Siedlungen mit Konjunktur zu gelangen, wird im kleinen Dorf bis zu den Mittel- und Großstädten seit etwa 10 Jahren sehr deutlich.

In dieser Zeit entstanden aber auch neue Eigenwohnheime und einige landwirtschaftliche Nutzbauten (nördlich und südlich der alten Dorfgrenze und auf dem Hof der „Braun- schweig-Stiftung”), die den Grundriß der Häuser des Dorfes, wie er 1754 bei Einführung der Brandversicherung aufgezeichnet wurde und in Abb. 4 beigefügt ist, ein wenig änderte. Auf der alten Dorfkarte sieht man, daß die nord-südliche Dorfstraße, die Abb. 10 mit Blick auf Hof Nr. 3 und links Hof Nr. 8 zeigt, damals nicht zwischen Hof Nr. 3 und Nr. 5 wie heute verlief, sondern weiter westlich über den heutigen Isenberg’schen Pachthof zwischen Hof Nr. 5 und 7 zum südlichen Dorfausgang führte. Von der „Meesche“ ging nur ein ungepflasterter Fahrweg durch die Sumpfwiesen neben der Altenau nach beiden Vahlbersgs.

Der Osterwiecksweg, der die Altenau überquerte und den die schwerbeladenen Fracht- wagen benutzen mußten, lief südöstlich unterhalb des Steinberges vorbei zur Zingel.

Nr. ass. 13: Das Zingel-Weghaus war wohl zuerst ein mit einem Wall (cingulum) befestig- tes Vorwerk der Burg Weferlingen, wurde nach deren Zerstörung aber mehr ein Zollhaus, denn es ging dort aus herzoglichem Gebiet in das von den Stadtbraunschweigern jahr- hundertelang vom Landesfürsten pfandweise erworbene und verwaltete Amt Asseburg, zu dem die Dörfer südlich der Nette (Altenau) gehörten. Die Zingel wurde deshalb von Zolleinnehmern bewohnt, die dort die „Akzise”, den Wegzoll (daher der Familienname Ziese), im Auftrag des Herzogs erhoben. Sie hatten auch das Flüßchen Altenau offen zu halten und werden mehrfach als „Fischmeister“ bezeichnet. Flüsse und Bäche waren im frühen und späten Mittelalter und bis in unsere technisierte Gegenwart, die mit ihren unbrauchbaren chemischen Nebenprodukten das Wasser der früher heiligen Quellen ver- giftet, rein und klar. Sie bargen Schmerlen, Gründlinge, Forellen und andere Fische, dazu Krebse und eßbare Muscheln, die zuweilen sogar kleine Perlen enthielten. Das Fischerei- recht, das dem Herzog zustand, wurde ihm u.a. im 17. Jahrhundert von Eitel-Karl von Wefer- lingen auf Groß-Vahlberg bestritten und es gab darum langdauernde Prozesse.

Einen großen Tag erlebte die Zingel und das Dorf Weferlingen, im Februar 1576. Herzog Julius, ein weiser und sparsamer Landesfürst, dem das kleine Land die Gründung der Universität Helmstedt und der Herzog-Julius-Hütte bei Harzburg verdankt, wollte den ver- sumpften Flußgraben vor dem Fallstein, später Schiffgraben genannt, aber auch die Nette (Altenau) für kleine Nutzfahrzeuge schiffbar machen. Diese sollten aus Huy, Fallstein und Elm Holz und Steine in die Oker flößen, an der er für seine Frau Hedwig das Schloß erbaute, das dann Hedwigsburg genannt ward. Die Bauern von Groß-Vahlberg, das unter der Herrschaft der Stadt Braunschweig stand, fürchteten, es könne von ihren Äckern bei der Verbreiterung der Nette zuviel Land abgegraben werden und man könne ihrem Besitz „all to nahe“ kommen — davon leitete man den Namen Altenau später unsinniger Weise ab — und so erhoben sie, wohl aufgestachelt von der Stadt gegen den Herzog und seine Pläne Einspruch. Wie in der Akte Ldh. 39 des Stadtarchivs Braunschweig berichtet wird, erschienen 2 Abgesandte der Stadt „morgens um 9 Uhr am 6. Februar 1576 ungeferlich an dem Graben für der Zingel am wege zwischenn Weferling und grossenvalberge”, wie- sen sich beim Teichmeister Steckelnburg durch einen offenen Brief aus und verboten ihm fernere Arbeit und forderten ihn auf, solches seinem Herzog Julius anzuzeigen. ».. . und also einen brieff, so er zuvor aus seinem bussen gezogen, in seiner Gegenwart gelesen, dessen Inhalt er (der Fischmeister) nicht alles verstanden ... jedoch soviel dar- aus vermerket, daß den armen Leuten ihre wege würden verringert und da einer zum andern nicht kommen könnte, daß auch derselbigen Äcker und weiden geschwächet, so verbiete man ihnen nochmals durch einen dreifachen Steinwurff, solch gebeude zu bauen undt also dreimal mit einem stein in den mittelsten graben geworffen. Mit den worten: „Ich verbiete dir diese Arbeit durch diesen flüchtigen Steinwurf!“

In den „Braunschweiger Händeln“, einer Anklageschrift des Herzogs wider seine Stadt Braunschweig, die im Anfang des 17. Jahrhunderts zur Begründung eines Prozesses beim Kaiser und dem Reichsgericht in mehreren Bänden bedruckt wurde, wird dann geschildert, daß der Herzog seine Landstände zu einer Protestkundgebung rief, auf der er „den gemeinen Nutzen seines Werkes zum Besten der Armut, zur Erleichterung der schuldigen Dienste und Erhaltung friedlichen Wesens und zur Beförderung der seiner Fürstl. Gnaden notwendigen Landesversicherungsvestung” begründen ließ.

 Dann begab sich die Hofgesellschaft, aus der der gestrenge, ehrenfeste und Ehrbare Valen- tin von Marenholz, Carl von Schwicheldt und Karl Franke, Fürstl. Gn. Haushofmeister ge- nannt sind „an gemelten neuen Wassergraben bei der Zingel”. Dort waren der Teich- meister und „etzliche Leute der umliegenden Dörffer als Gross-Denkte, Mönche-Vahlberg, Eilum (Adelem), Dettum und Wefferling, so sonderlich von der Obrigkeit erfordert wor- den, erschienen“. Auch Karl von Weferling auf Gr.-Vahlberg war dabei. Der Zug dieses herzoglichen Trosses muß in Weferlingen wohl einige Aufregung hervorgerufen haben. Es kam, wie immer in solchen Fällen (auch heute noch), zu einem langdauernden Prozeß, der mit einem Vergleich endete. Der Herzog Julius war dann schon gestorben – und die Altenau wurde nie schiffbar! Der symbolische „Einwurf“ der Braunschweiger hatte also sein Ziel erreicht.

Die Zingel war im 18. und 19. Jahrhundert noch als Kammerkrug ein Gasthaus, verfiel dann allmählich und diente beim Bau der Eisenbahn Wolfenbüttel-Oschersleben noch als Unter- kunft für die Bauarbeiter. Das baufällige Gebäude gehörte zuletzt dem Weferlinger We- gewärter Feldkamp und wurde 1888 abgerissen. Heute erinnert nur noch der Flurname „Zingelkamp“ an die Geschichte dieses einsam und weitab vom Dorf gelegenen Über- gangs über die Altenau, der damals eine wirtschaftliche und landespolitische Bedeutung hatte.

Nr. ass. 11: Das alte Haus des Gemeindehirten ist, wiewohl etwas umgebaut und erneu- ert, noch heute vorhanden und hat lange als sogenanntes Gemeindehaus gedient.

Nr. ass. 12 beherbergte im 18. Jahrhundert und später den „Landsoldaten“, einen Vorgänger der heutigen Polizeiposten.

Bisher war nur von den Bauern und ihren Namen die Rede. Neben ihnen gab es fast bis ins 19. Jahrhundert im Dorfe die Ackerknechte oder Häuslinge, die Mägde und zuweilen auch einen Handwerker. Sie waren die Helfer der Bauern, deren Familie sonst allein mit der Feldbearbeitung nicht fertig geworden wäre. Nach Alter und Erfahrung unterschied man die Großspänner, den Pferdeknecht oder Gespannführer und den Enken (Lehrling). Grote Magd und lüttje Magd entsprachen ihnen. Die Handwerker waren meistens nur vorüber- gehend in dem kleinen Dörfchen ansässig. In den Städten hatten sich bis zum Ausgang des Mittelalters ein immer reicherer Handwerkerstand gebildet, dessen Innungen in der Stadtpolitik mitreden durften und der aus den Dörfern die abwandernden, besitzlosen Bauernsöhne an sich zog. So hören wir aus den Kirchenbüchern, die für unser Dorf am Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert leider eine große Lücke aufweisen, wohl von Schneidern, Schuhmachern und Leinewebern, zuweilen auch von einem Zimmermann oder Schmied. Die Maurer, bis in unsere Zeit auch als Hausschlachter geschätzt, die Dachdecker, Maler und Tischler treten erst dann in geringer Zahl auf, als die alte Häuser- bauweise mit Fachwerk und Strohdach durch die strengen Bestimmungen der Brandver- sicherungsordnung auf Steinbau und Ziegeldach umgestellt ward. Es kommen ferner vor Topfmacher, Kuhhirten, Schäfer, Feldhüter und einmal ein Papiermachergeselle. Einen Bäcker gab es in Weferlingen bis nach dem 2. Weltkrieg (und auch dann nur vorübergehend) nicht. Die Höfe hatten (nach der Dorfbeschreibung 1754 auf Nr. 1, 2, 3, 4 und 5) kleine Back- häuser im Garten stehen, in denen sie Brot für den Besitzer und seine Arbeitsleute buken. Ein Gemeindebackhaus hatte die Gemeinde nicht. Auch ein Krug war nicht vor- handen, „weil niemand die Krugsellung von der Kammer pachten will, dieweil das Dorf klein und daselbst keine reisenden Leute durchkommen.” Dagegen hatte der Zingelwirt unentgeltliche Kruggerechtsame, mußte dafür aber die Fürstliche Gehegefischerei in der Altenau (darin gab es Krebse, Schmerlinge, Gründlinge etc.) und in der Gilzumer Beeke versehen. Die Dorfgemeinde hielt in dieser Zeit noch einen Nachtwächter, einen Pferde- und einen Gänsehirten.

An Familiennamen, deren Vorkommen bis in das jetzige Jahrhundert reicht, kommen vor: Moshake (ununterbrochen seit 1566), Friedrichs (seit 1767), Barnstorf (seit 1799, Zilling (seit 1803), Köchy (seit 1808), Wunderling (seit 1813).

Das für deutsche Dörfer so charakteristische Leben von Vereinen, in denen sich Gleich- gesinnte zu musischem oder sportlichem Tun zusammenfinden, konnte naturgemäß in einem so kleinen Dorf wie dem unseren sich nie zu großer und langer Blüte entfalten Ein Gesangverein hat sich allerdings noch bis ins letzte Jahrzehnt erhalten, ist dann aber leider auch den Zeichen der Zeit: Rundfunk und Fernsehen und anderen Ablenkungen zum Opfer gefallen. Wir Älteren erinnern uns aber noch gern an die Sängerfeste, die zwischen den beiden großen Kriegen auf dem „Saal“ in damals Wunderlings, heute Kretzers Gast- wirtschaft (s. Abb. 13), später in Wunderlings Scheune im Unterdorf mit Ehrenjungfrauen und vielen Gastvereinen gefeiert wurden.

Die freiwillige Feuerwehr dagegen besteht in ihrer gemeinnützigen Hilfstätigkeit für alle Dorfbewohner seit langen Zeiten bis heute. Sie ist heute in der modernen Organisation des Feuerschutzes natürlich ungleich besser ausgerüstet als 1754, wo an „Feuerinstrumen- ten“ verzeichnet sind: 2 lederne Eimer, 2 Feuerleitern, 2 Feuerhaken und 4 Handspritzen. Später hatte sie lange Jahre eine handbetriebene fahrbare Feuerspritze im „Spritzenhaus” (vor dem Südeingang des „Großen Hofes”) stehen. Ihr Einsatz bei den damals gottlob wenigen Bränden im Dorf, aber auch bei den regelmäßigen Übungen des Bezirks gehört zu meinen eindrucksvollsten Kindheitserinnerungen. Unter ihren Brandmeistern und Haupt- leuten (z. Zt. Ludwig Blöhbaum) hat die Weferlinger Feuerwehr „dem Nächsten zur Wehr” viel Gutes getan. Ein 1962 neu beschafftes Löschgerät Ts 8 hilft ihr dabei besser als die Handspritze. Neben dem Spritzenhaus, in dem der Gemeindevorsteher wohl auch einmal einen Vagabunden bis zur Abholung durch die Polizei einsperren ließ, gab es in meiner Kindheit auch zuweilen Kunstgenüsse. Da kam ein Marionettentheater mit „Schneewitt- chen“ oder gar ein winziger Wanderzirkus, und so etwas war damals ein Wunderwerk für Kinder und Erwachsene, die ohne Kino und Fernsehen noch Zeit und Lust für solche romantischen Vergnügungen übrig hatten. Die Kinder hatten einmal im Jahr ihr Hauptvergnügen beim Kinderfest mit Reigentänzen auf dem „Spielplatz“ vor dem Lehrer- haus mit Umzug durchs Dorf unter den zahlreichen Girlanden hindurch, mit Tanz von „Schottschen“ und Walzer auf dem kleinen, engen Saal bei Wunderlings und mit dem Leckereienstand vor Blöhbaums Stallgiebel von „Tante Honigbaum“. Das war vor dem ersten Kriege die Botenfrau des Dorfes, die zweimal wöchentlich von Braunschweig alles besorgte, was man ihr auftrug. Eierkränze, Lutschestangen aus Lakritz, Mozartstäbchen, Liebesperlen — das waren Genüsse, die alle heutigen Eisschleckereien aufwogen. Frau Honigbaum, die zuerst mit einem Bahnwärter, später mit Hermann Meier, dem Sohn von Heinrich Meier (Hof Nr. 8) verheiratet war, hatte einen ähnlichen Kramwarenladen wie Frau Auguste Langelüddeke, deren Mann Gemeinde- und Kirchendiener war und im An- bauernhause (heute Meineke) wohnte. Vorher sorgten regelmäßig aus Schöppenstedt oder Wolfenbüttel mit kleinen Planwagen kommende Händler für den Haushaltsbedarf.