II. Das Dorf im frühen Mittelalter

Um 1000 v. Chr. Bewohnen aus Norden und Osten gekommene Stämme, die später nach ihrem „Ger“ (ein kurzer Speer) die Ger-manen d. h. Speermänner genannt werden, das Land zwischen Elm und Asse. Ein von Norden eindringendes Volk, das man als irminonische Sueben (namensverwandt mit Schwaben) bezeichnet, gründet neue Orte in diesem Fluß- tal. Die Irminonen heißen so, weil sie den Kriegsgott Er, mit anderem Namen Ziu ver- ehrten und ihm die Schimmel auf heiligen Stätten, durch Eichen beschützt, als Opfer schlachteten. Als Niedersachsenroß stehen die Opfertiere jetzt im Braunschweigischen und Niedersächsischen Staatswappen.

Fürstengräber dieser Zeit um 1000 v. Chr. Erheben sich heute noch als weithin sichtbare Hügel, meist mit Bäumen gekrönt, auf den Uferhöhen der Altenau, so der „Hoch“ in Evessen, der leider schon vor vielen Jahrzehnten zerstörte „Muspott“ auf dem Ollah bei Eilum, der Galgenberg und der Meescheberg (dieser noch unberührt wie der Evesser „Hoch”) bei Kl.-Vahlberg. Auf diesen Höhen, die weiten Blick ins Land gewähren, setzten die Bauernvölker der Jahrhunderte um die Zeitwende die Stammeshäuptlinge bei, die dann später den Namen Her-zog, d. i. „der vor dem Heere herzieht“, bekamen. Natürlich ist es heute nicht mehr zu ergründen, ob die damals an den Uferhängen der Altenau wohnenden Vorfahren. Der Weferlinger ihren Stammesältesten auf dem Ollah, oder jenseits des Tales auf dem später so benannten Galgenberg beisetzten. Nach ©. Hahne brachten jedoch die irminonischen Sueben ein Wort für „Wiese“ mit, das als „-ing“ manchen Dorfnamen auf -lingen seine Bedeutung aufprägte.

Damals, um 100 v.Chr. Könnte die am heutigen „Kirschenberg“, also oberhalb der sumpfigen Altenauniederung („Meesche“) gelegene Dorfsiedlung entstanden sein, die wir jetzt als „Weferlingen” bezeichnen. „Vafra® (altnordisch), Waver (engl.) ist sinngemäß ver- wandt mit dem „Weber”schiff, das hin und hergeht, oder mit der „Waber“-Lohe, dem züngelnden Feuer. Vafra-l-ing könnte also nach ©. Hahne sowohl sprachlich, wie lokalge- schichtlich einleuchtend, als „Dorf an einer schwankenden, d. h. Moorigen und sumpfigen Wiese“ gedeutet werden. Hierfür spricht, daß auch der Flecken Weferlingen, der mit einer mittelalterlichen Wasserburg in der heutigen „DDR“ unweit der Zonengrenze über den ehe- maligen Sumpfniederungen der Aller liegt und als größerer Ort immer wieder mit unserem kleinen Dorf auch von Historikern verwechselt wird, genau die gleiche siedlungs- geographische Umwelt aufweist. (Vgl. Th. Müller, Ostfälische Landeskunde, 1952) Den plattdeutschen Namen „Weberling“ als „Ort der Weber“ auszudeuten, wie es geschah, ist m..E. völlig unmöglich. Weberdörfer wie im schlesischen Gebirge des 19. Jahrh. Gab es im Altenautal um die Zeitwende bestimmt nicht.

Daß sich gerade in dem Ort an der schwankenden Wiese eine Bauernsippe ansiedelte, hatte, wie alles in der Geschichte, seinen guten Grund. Der bestand nicht nur in dem frucht- baren Lößboden, sondern wohl auch in der Tatsache, daß auf den Höhen oberhalb der Altenauniederung schon seit der Stein- und Bronzezeit uralte Straßenzüge liefen, auf de- nen die Völker zu Handel, aber auch zu Krieg einherritten.

Es wird somit um die Zeitwende, die wir nach Christi Geburt bezeichnen, gewesen sein, als eine Bauernsippe an den sanften Höhen oberhalb des moorig-schwankenden Wiesen- bodens der Meesche ihren Hof mit allen seinen Nebengebäuden für die Söhne und Enkel gründete. Es kann ein Mann von Einfluß auf die benachbart ansässigen Familien von Titheme (Heim des Detto – Dettum) oder von Adelem (888 Odon-hem, d.h. Heim des Odo = Eilum) gewesen sein, der sich dann an dem Schnittpunkt von zwei uralten Wegen einen später befestigten, wehrhaften Edelhof baute. Die alten Wege durchs Land, deren Verlauf noch unsere heutigen Straßen weitgehend folgen, hießen Dietwege (thiod = Volk, enthalten in thiodisk-land = Deutschland). Als „Deiweg“ finden wir ihre Reste oft in den Flurnamen der Dörfer an den Hängen des Elms und der Asse. Prof. Otto Hahne hat diese Straßen- züge in seiner Arbeit: „Siedlungsgeschichte und Verkehrsstraßen zwischen Elm und Asse“ (Nieders. Jahrbuch Bd. 19/1942) mit einer Fülle von Flurnamendeutungen sehr anschaulich beschrieben.

Danach kreuzten sich bei Weferlingen zwei Wege, deren Andenken noch bis heute der Flurname „Zwischen den großen Wegen“ erhalten hat. Zwischen dem sehr alten Dietwag am südlichen Elmrand (Köln-Hildesheim-Braunschweig-Schöppenstedt-Schöningen (Salzgewinnungsort!), der später bis Magdeburg führte, und einem Dietweg südlich der Asse, aus dem später die Leipziger Heerstraße (Wolfenbüttel-Groß Denkte-Wittmar-Remlingen usw. über Hessen und Halberstadt nach der großen sächsischen Handelsstadt) ward, führte ein Straßenweg von Braunschweig durch das Lechelnholz (daher Weghaus in Stöckheim) über Salzdahlum, Dettum und den „Reuterweg” an Weferlingen knapp vorbei zu der „Zingel“ (= cingulum, d.h. umzäunter, wehrhafter Übergang über die Altenau, (sie hieß damals noch die „Nette“) und dann den „Galgenberg” bei Klein-Vahlberg, das Fürsten- grab aus älterer Zeit berührend, das später Gerichtsstätte war, nach Hessen und „Oster- wieck. Dieser sog. „Osterwiecksweg” kreuzte nördlich der Dorfsiedlung einen anderen alten Fahrweg, den „Schöppenstedter Stieg“, der von Wolfenbüttel, der herzoglichen Re- sidenz, über Ahlum und die Dettumer Wiesen verlief und ungefähr noch heute im Zuge des von Isenbergs und Barnstorfs Scheunen nach Westen führenden Feldwegs zu erkennen ist. Er traf das frühere Weferlinger Burggelände neben den „Wüsten Gärten” (s. Unten), zog unmittelbar nördlich des Dorfes vorbei und ging über den „Hohlen Weg“ bei Bans- leben vermittels einer Brücke über den „Sauerbach“ — auch sie durch eine Wasserburg Bansleben bewacht -, durchs Stobentor in das Städtchen Schöppenstedt. Über die hoch- interessanten Flurnamendeutungen, aus denen man alte Wirtschafts- und Ortsgeschichte ablesen kann, und die den Verlauf dieser Wege kennzeichnen, kann hier aus Platzgründen leider nichts berichtet werden, so daß auf Hahnes Originalarbeit verwiesen werden muß.