46/49 Die „Entnazifizierung“

Die Auszüge aus den Personalakten Fritz Barnstorfs schildern den Prozess der „Entnazifizierung“ der Jahre 1945 – 1949:

 30.7.45

Schreiben von Direktor Dr. Schlüter (HAK) an den „Staatsminister für Inneres, Braunschweig“

Schlüter hätte von der Suspendierung B.s erfahren, er kenne die Gründe hierfür nicht.

„Ich kenne Dr.B. seit Jahren und weiß,daß er, der erst 1937 in die Partei eingetreten ist, immer demokratische Grundsätze vertreten hat und innerlich ein Gegner des NS gewesen ist..“

...Bitte um Nichtentlassung aus dem Staatsdienst....

„... Der Umstand, daß ich einer der wenigen höheren Beamten bin, die nicht in der Partei waren, vielmehr im Gegensatz zur NSDAP gestanden habe, bietet die Gewähr dafür, daß ich mich im vorliegenden Fall für einen Beamten verwende, der dieser Fürsprache würdig ist.“

 21.8.45

Antwort aus Braunschweig: Suspendierung soll dem Betroffenen oder seinen Angehörigen gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt werden. Entscheidung erst, wenn Dr.B. aus der Haft entlassen wurde und von der Militärregierung die Gründe der Haft genannt wurden.

2.4.46

Entlassung aus der Internierungshaft (Westertimke)

3.5.46

F.B. bittet bei der Innenbehörde des Landes Braunschweig um Aufhebung seiner Amts-Suspendierung und beschreibt seine Haltung in den Zeiten der NS-Herrschaft.

Kopie des Schreibens:

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Die Akten enthalten Kopien von den Aussagen dieser Zeugen :

Dr. N. Wegscheider, (Anstaltsarzt in Königslutter) berichtet, daß Dr.B. „verbotene Bücher“ (Bücher auf dem strengen Index) verliehen hat, wie z.B. Lion Feuchtwangers „Der Erfolg“.

Dr. Lorch, Braunschweig (Mitglied einer Freimaurerloge):

Dr. B. hat den Ausgang des Krieges vorausgesehen und dies auch geäußert.“ Dr. B. Hat mehrfach Inhalte von Berichten ausländischer Radiosender (BBC) weitergegeben.

Mally Wilke (Künstlerin aus Braunschweig) :

Herr Dr. B. ist mir seit 1940 bekannt. Ich habe mich von ihm ärztlich beraten lassen, aber sonst viel mit ihm gesellschaftlich verkehrt. Aus zahlreichen Geprächen um künsterische und politische Dinge ging für mich eindeutig hervor, daß Dr.B. eine ausgeprägte antifaschistische Einstellung hatte. Seine freimütig geäußerten Ansichten gegen das NS-System waren für mich eine geistige Anregung in einer Zeit, in der man nur mit ganz wenigen Menschen derartige Gespräche führen konnte. ...“

Dr. Reimann (Haldensleben)

... sein Verhalten Kranken gegenüber, namentlich einem jüdischen Patienten gegenüber erregte auch das Mißfallen mancher seiner Parteigenossen. Es erfolgte eine Anzeige an höherer Stelle. Nur dadurch, daß sich mehrere Ärzte sich solidarisch mit ihm erklärten verhinderten sie ein Einschreiten gegen ihn. Wiederholt hat er mir gegenüber versichert, daß er am liebsten aus der Partei ausscheiden würde“...

Evtl. Folgerungen daraus ließen ihn aber davon Abstand nehmen. …“

 Rudolf Spinti (Braunschweig-Süd):

Als politischer Häftling wurde ich auf Vorschlag von RA Dr. Benze, Braunschweig zur Beobachtung meines Geisteszustands am 14.3.45 zur pfleglichen Behandlung Herrn Dr. B. überwiesen. Nach allem Durchgemachten war für mich die Aufnahme in die Heilanstalt Königslutter eine große Erleichterung, sorgte doch Dr .B. für mich in jeder Hinsicht, sowohl als Arzt als auch als Mensch. In seinen Augen war ich nicht der „politische Häftling“. So wurde mir gestattet, mich in der Gartenanlage frei zu bewegen, auch durften mich Frau und Kind besuchen. Alles geschah unter seiner Verantwortung. Herr Dr. B. mußte damit rechnen, wegen seiner Großzügigkeit mir gegenüber von der Gestapo selbst zur Rechenschaft gezogen zu werden.“

 Dezember 1946

Militärregierung Braunschweig teilt mit:

You have been classified as a 'No Objection' and consequently are allowed to practice with no restriction“

 7.1.47

Ein Entnazifizierungsausschuß der Ärzte in Braunschweig erkennt:

Dr. B. war Mitglied der Partei seit 1.5.37 ohne Amt. Der SA gehörte er seit 1933 an Er war seit 1939 SA San.Sturmführer. Er war außerdem Mitglied des NSV seit 1935 und des NSD-Ärztebundes seit 1937.

Nach eingehender Beratung und Anhörung der Zeugen hält der Ärzteausschuß Dr. B. nur für ein nominelles Mitglied und beschließt daher einstimmig, Dr. B. Für tragbar zu erklären.

© 2025 Henning F. Barnstorf