- Zugriffe: 7
Addendum 2
Dieser – aus zwei Briefen zweier verschiedener Schreiber bestehende – hschr. Brief zusammen mit dem drei Jahre zuvor von Karl Utermöhlen an seine Nichte Lisa verfaßten (= Addendum 1) sowie einer Reihe von teils beschrifteten, teils unbeschrifteten Photos in einem neueren braunen DIN-A5-Umschlag zusammengefaßt. Von den vielen Photos ist ihm nur eines eingelegt, das im Brieftext nicht erwähnt wird.1 Das Briefpapier liniert, aus dünnem Leinen, 210×270 mm, also kürzer als DIN-A4.
Heimgarten-Bülach, d. 10. 12. 19352
Lieber Fritz u. liebe Lisa!
Beifolgend sende ich Euch die Sterbeurkunde von Eurer Urgroßmutter Hettenhausen geb. Deecke.3 Mein Vetter Theodor Hettenhausen4 hatte große Freude, daß wir uns einmal persönlich kennen lernten. Wir gingen zusammen auf den Friedhof und konnten auf Urgroßvaters Grab folgendes entziffern: Frh.[?] Christoff Ludwig Hettenhausen geb. 24. Aug. 1788 gest. 10. Dez. 1862.5
Ihr seid nun wohl so gut u. zahlt 1,35 Mk. an das Pfarramt in Reiffenhausen.6 Wie Ihr aus der beiliegenden Zahlkarte erseht bin ich bei der Gelegenheit zu hohen Ehren gekommen. 10 Fritzli Ehrt7 hatte mich nach Reiffenhausen begleitet, er ist dort gut bekannt, da er die Verwandten öfters besucht. Nach Münden sind wir auch zusammen gefahren.8 Am Montag9 trat ich dann die Heimreise über Wiesbaden an. Familie Gustav Utermöhlen10 habe ich leider nicht angetroffen, da alle an diesem Tage zu einer Silberhochzeit geladen waren und einen Tag länger in Wiesbaden zu bleiben war mir nicht möglich, da ich meine Rückkunft schon zu Hause angemeldet hatte. Einen ganz gehörigen Schnupfen habe ich von der Reise mit heimgebracht.
Seid nun beide recht herzlich gegrüßt.
Onkel Wilhelm.
11Ihr Lieben, da mein Liebster noch etwas Raum gelassen hat, möchte ich Euch auch einen herzlichen Gruß senden. Ich bin sehr glücklich meinen lieben Weggenossen wieder hier zu haben. Wie schön, das [sic] Ihr auch in Braunschweig wart.12 Ich freue mich schon auf nächsten 22 Sommer,│wo Ihr uns ja hier besuchen wollt. Von Erika13 erhielten wir heute gute Nachricht und von ihrem Kleeblättchen ein reizendes Bildchen. Die kleine Gerda, die im Sommer mit ihrem 24 Vater hier war, unser Patenkind,14 ist ein süßes Gör. Erika schrieb, sie könne am lautesten singen, verdreht aber alle Worte, singt statt Tannenbaum, o Tantebaum, wie rot[?] sind deine Blätter. Die strahlenden Kinderaugen möchte ich zu gerne mal beim Lichterbaum sehen. Wir haben hier tüchtig Winter, der Schnee liegt ziemlich hoch und Nachts friert es schon ordentlich. Vor vierzehn Tagen hab ich noch die letzten Rosen aus dem Garten geholt, hunderte von Meise<n> picken an unsere Fenster, man hat genug zu tun, die kleinen Freßmäulerchen[?] zu füllen, selbst Rehe und Füchse wagen sich nun schon näher ans Haus. Unser Adventskranz hatte am Sonntag schon 2 brennende Lichtchen,15 wie schnell wird es Weihnachten sein. Zu dem Fest wünschen wir Euch viel Freude und zum Jahreswechsel Gottes Segen. Bleibt gesund und seid herzlichst gegrüßt von
Eurer Tante Helene
1 Es handelt sich um eine kleine, an drei Rändern beschnittene, wenig kontrastreiche und schon recht verblaßte, schätzungsweise aus den 1910er-1930er Jahren stammende Aufnahme eines jungen Mannes in Reitstiefeln oder ‑gamaschen, Hemd, Schlips und Anzug, der mit angezogenen Beinen und auf den rechten Arm sich stützend im Gras neben einem Baume ruht, von dem nur ein paar Zweige seitlich in das Bild ragen. Auf der Bildrückseite Bleistiftvermerk «Karl U.?», dahinter Spuren, nur flüchtig ausradiert, eines vorherigen Vermerks «F. Kürschner». Um Friedel Kürschner handelt es sich bei dem Porträtierten in der Tat nicht, wie ein Vergleich mit den von ihm aus den Jahren 1930 und 1936 zahlreich existierenden Aufnahmen belegt. Ob es sich um Karl Utermöhlen handelt, scheint gleichfalls zweifelhaft, ist aber nicht ganz auszuschließen, denn von Karl sind uns nur wenige Aufnahmen überliefert, eine aus seinem 14. Lebensjahr und zwei aus seinen Altersjahren (zu allen drei vgl. Addendum 1/Anm. 7, Nr. 2. 4f.), was den Vergleich erschwert. – Möglich wäre, daß diese Aufnahme gar nicht hieher gehört, sondern zu Brief 4 vom 15. April 1923, wo Friedel seiner Cousine Käthe zwei nicht ihn selbst darstellende Bilder ankündigt, die dort jedoch fehlen (s. Brief 4/Anm. 9).
2 Dieser erste Brief in lateinischer Schrift, etwas ungeübte Hand.
3 Der Stammliste zufolge (s. Einleitung) handelt es sich bei dieser Urgroßmutter von Lisa Utermöhlen um Luise Deken (so die dortige Schreibung), die Mutter der Lisette Christine Wilhelmine Hettenhausen (1.7.1832-21.8.1900), die ihrerseits 1855 Georg Utermöhlen (18.8.1831-30.5.1920) heiratete und ihm (als siebentes Kind) Hermann (14.2.1868-8.11.1920), den Vater von Käthe und Lisa Utermöhlen, sowie (als achtes und letztes Kind) den unterzeichnenden Wilhelm (20.1.1871-?.?.1942) gebar.
4 Der Sohn eines Bruders von Wilhelms Mutter Lisette (Anm. 3).
5 Den Lebensdaten nach muß es sich bei diesem Urgroßvater um den Schwiegervater, nicht den Mann der als Urgroßmutter bezeichneten Luise Deken handeln, die, da ihre Tochter Lisette 1832 geboren wurde, um 1805/10 zur Welt gekommen sein wird. Es war also der Urgroßvater Theodor Hettenhausens und Wilhelm Utermöhlens; für Lisa und Fritz hingegen war es der Ur-Urgroßvater.
6 Reiffenhausen ist eine südlich von Göttingen und östlich von Hannoversch Münden gelegene Gemeinde im Landkreis Göttingen im Südzipfel Niedersachsens (Drei-Länder-Eck Niedersachsen, Hessen, Thüringen); 1973 zusammen mit anderen Gemeinden, darunter Ludolfshausen, dem Geburtsort von Lisette und Georg Utermöhlen (s. Anm. 3), zur Gemeinde Friedland (bekannt durch das Grenzdurchgangslager) vereint. Offenbar war Luise Deken in diesem Pfarrbezirk verstorben. Die Bitte um Erlegung der Gebühren für ihre Sterbeurkunde läßt darauf schließen, daß die Empfänger des Briefes den Verfasser eigens um dieses Dokument (vermutlich samt familienhistorischer Recherche auf dem Friedhof) gebeten hatten – vielleicht im Zuge ihrer eigenen Ahnenforschungen zur Erstellung der ‹Stammliste Utermöhlen, Zweig Bonafort, Heimgarten, Weferlingen, Peine u.s.w.›, die für uns Heutige eine unschätzbare Auskunftsquelle darstellt und die, da ihr letzter getippter Eintrag aus dem Jahre 1937 stammt, 1935 bereits in Planung oder Arbeit gewesen sein dürfte.
7 Vermutlich einer der beiden Söhne (vgl. Bülacher Neujahrsbl. 1993, a.O. [Einleitung/Anm. 9], S. 18a), vielleicht aber auch schon ein Enkel der ältesten Schwester des Briefschreibers, Ida (22.8.1856-20.11.1935), und ihres Mannes Karl Ehrt (26.8.1855-9.6.1900). Karl Ehrt, ein aus Elbingerode im Harz gebürtiger Lehrer, den Ida am 9.6.1881 noch in Ohrum geheiratet hatte, entstammte wahrscheinlich der verzweigten, bis heute bestehenden Handwerker- und Unternehmerfamilie Ehrt, die 1887 in Elbingerode ein Dampfsäge- und Hobelwerk mit Kistenfabrik gründete und später auch an dem zwischen Elbingerode und Rübeland gelegenen Bergwerk ‹Drei Kronen und Ehrt› beteiligt war. Da Karl Ehrt in Heimgarten starb, wo er zuvor ein ‹Sonnenheim› genanntes Erholungsheim betrieben hatte, muß Ida nach der Hochzeit zusammen mit ihm (und entweder auch zusammen mit ihren Eltern und ihren Brüdern Wilhelm und Karl oder, falls diese schon um 1875 fortgingen, erst nach ihnen) in die Schweiz ausgewandert, nach dem Tode ihres Mannes aber irgendwann zurückgewandert sein, denn sie selbst starb in Hannoversch Münden. Falls diese Vermutung stimmt, könnte Fritzli, worauf auch die schweizerische Verkleinerungsform seines Namens hinweisen würde, in der Schweiz geblieben sein und Wilhelm von dort aus auf seinem Verwandtenbesuch in Deutschland begleitet haben. Bei einem Sohn würde man allerdings erwarten, daß der Briefschreiber den zum Zeitpunkt der Abfassung seiner Zeilen keine drei Wochen zurückliegenden, die Reise möglicherweise überhaupt motivierenden, zweifellos aber irgendwie in sie eingreifenden Tod Idas, diesfalls also der Mutter, erwähnen würde. Daß dies unterbleibt, könnte dafür sprechen, daß Fritzli bereits der Enkelgeneration angehört, mithin aus Wilhelms Sicht kein direkter Leidtragender ist. Es könnte jedoch auch bedeuten, daß Wilhelm selbst kein enges Verhältnis zu seiner fünfzehn Jahre älteren Schwester Ida hatte, vielleicht gerade wegen des großen Altersunterschiedes, oder wegen ihres Weggangs aus Heimgarten. – Zu Fritzli Ehrt vgl. a. Brief 13/Anm. 31. – Die Z. 9 bezeugten «hohen Ehren», woran die Erwähnung Fritzlis absatz- und übergangslos anschließt, beziehen sich höchstwahrscheinlich nicht auf dessen Geleit, sondern müssen im Zusammenhang mit der Zahlkarte (ebda.) stehen: Es ließe sich spekulieren, daß Wilhelm auf ihr wie sein Ahne als «Freiherr» tituliert wurde.
8 Wahrscheinlich zur Beerdigung Ida Utermöhlens, s. vorausgehende Anm.
9 Das wird entweder der 9., also der dem Briefdatum unmittelbar vorausgehende Tag, oder bereits der 2. Dezember 1935 gewesen sein; beides ist mit Blick auf das Sterbedatum Idas (s.o. Anm. 7) möglich. Vgl. a. unten Anm. 15.
11 Diese Fortsetzung nach einer Leerzeile auf derselben Seite in sehr geläufiger deutscher Kurrentschrift.
12 In Braunschweig lebten zu dieser Zeit etliche Mitglieder der Familie Utermöhlen, namentlich Angehörige von Wilhelms beiden älteren Brüdern Albert (12.9.1863-?) und Hermann (14.2.1868-8.11.1920), u.a. auch des letzteren Ehefrau Anna Marie (22.9.1871-8.3.1942) mit ihrer ältesten Tochter Käthe. Offenbar waren die beiden Briefempfänger, Käthes jüngere Schwester Lisa und ihr Mann Fritz Barnstorf, der 1935 an der Provinzial-Heilanstalt Haldensleben bei Magdeburg als Arzt wirkte, anläßlich von Wilhelms Besuch zu einem Familientreffen nach Braunschweig angereist.
13 Tochter der Schwester Helenes, Maria Kürschner, und des Bruders von Wilhelm, Karl, also die Nichte der beiden Briefschreiber. Zu ihr vgl. a. Briefe 3, Z. 65ff. mit Anm.en; 18, Z. 18 mit Anm.; Addendum 1/Anm. 7, Nr. 5.
14 Wahrscheinlich die zweite Tochter von Helenes angeheiratetem Cousin Hermann Utermöhlen (2.1.1887-?) und seiner Frau Emma Katharine Brinkop (17.9.1899-?). Wenn es sich um diese (am 1.8.1929 in Hannover geborene) Gerda handelte – die einzige Gerda in der Familien-Stammliste –, war sie im Sommer 1935 knapp sechs Jahre alt. Inwiefern Erika Nachrichten über diese Cousine 2. Grades haben konnte, muß offenbleiben. Vielleicht lebte Erika, die sich in zweiter Ehe mit dem Hamburger Oskar Staege verheiratete (Brief 18, Z. 18 mit Anm.), 1935 nicht mehr in Heimgarten, sondern in Norddeutschland in der Nähe zu den Hannoveraner Utermöhlens. Theoretisch wäre es zwar auch möglich – und die «Kleeblättchen»-Metapher scheint es nahezulegen –, daß Gerda eine Tochter Erikas war (die ihres angeheirateten Nachnamens wegen nicht in der Stammliste auftaucht). Jedoch beschreibt Helene hier ein sehr junges Kind, wie es ihre zu diesem Zeitpunkt schon 53jährige Nichte Erika eigentlich nicht mehr gehabt haben kann; auch nicht als Stiefkind aus ihrer zweiten Ehe. Daß Wilhelm und Helene Gerdas Paten waren (Z. 24), spricht ebenfalls eher gegen ein großelterliches Verhältnis zu dem Kind, da Großeltern so gut wie nie als Taufpaten fungieren. Gehen wir also einmal von der Hannoverschen Gerda Utermöhlen aus, so schloß diese später, 1951, eine Bibliothekarslehre in Hamburg (!) ab, arbeitete von 1951 bis 1953 in der Landesbibliothek Hannover, studierte dann Germanistik und Romanistik in Göttingen, Paris und Heidelberg, wo sie um 1964 über Hermann Brochs Novellenzyklus ‹Die Schuldlosen› promovierte, und arbeitete nach einem Intermezzo beim Kindler-Verlag seit 1969 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Leibniz-Archiv der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover, heute Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek. Als Mitherausgeberin von Leibnizens allgemeinem historischen und politischen Briefwechsel sowie als Editorin der Korrespondenz zwischen Leibniz und der Kurfürstin Sophie von Hannover hat Gerda Utermöhlen sich einen Namen gemacht. Auch publizierte sie zahlreiche Aufsätze, Rezensionen und Bücher über Leibniz, bes. im Zusammenhang mit theologischen und politischen Fragen (Pietismus, Papsttum, Irenik/Reunionsversuche des 17. Jh., gelehrte Frauen im 17. Jh., hannoverscher Hof). Im Ruhestand ab 1991 begann sie, einen Teil des schriftlichen Austausches zwischen Leibniz und Sophie von Hannover aus dem Französischen ins Deutsche zu übersetzen. Gerda Utermöhlen starb am 22. August 1997. In den Studia Leibnitiana 29/1 (1997) 3-5 findet sich ein Nachruf von Herbert Breger, dessen spanische Übersetzung durch Alberto Guillermo Ranea in der argentinischen Revista de filosofía y teoría política 33 (1999) 37-40 mir zur Verfügung stand.
15 Der zweite Advent war 1935 am 8. Dezember, also zwei Tage vor Abfassung dieser Zeilen.
- Zugriffe: 2
Addendum 1
Dieser Brief zusammen mit dem drei Jahre später von Wilhelm und Helene Utermöhlen an Fritz und Lisa Barnstorf verfaßten (= Addendum 2) sowie einer Reihe von teils beschrifteten, teils unbeschrifteten Photos (s. Anm. 6) in einem neueren braunen DIN-A5-Umschlag aufbewahrt. Liniertes Leinenpapier von etwas dickerer Qualität als Addendum 2; die Hschr. lateinisch.
Heimgarten, d. 23. Nov. 32
Liebe Lisa!
Aus Deinem lieben Briefe vom 24. Okt. ersehe ich, daß Dir der Inhalt meines Paketes große Freude bereitet hat, besonders auch die beiden Tagebücher von meinem Vater. Ich habe sie auch kurz vorher mit vieler Rührung gelesen, besonders die Briefe, die er damals an meine liebe Mutter Lisette geschrieben hat.1 Dabei mußte ich daran denken, mit welchem Vergnügen ich immer als Junge in Ohrum2 die Briefe von meiner Mutter gelesen habe, welche sie während ihrer Brautzeit an Vater geschrieben hat. Ich habe dieselben nach seinem Tode nicht mehr vorgefunden. Er wird sie jedenfalls verbrannt haben. Bei den Briefen lag auch ein solcher von Großvater Ludwig U. aus Bonafort,3 in welchem er Vater u. Mutter {im Jahre 1861} zur Geburt ihres ersten Buben4 voller Freude Glück wünscht u. zugleich den Wunsch ausspricht, daß einmal etwas Rechtes aus ihm werden möge. Dieser Brief hat damals auf mich Buben beim Lesen solchen Eindruck gemacht, daß ich mir fest vornahm, danach zu streben, daß der Wunsch meines Großvaters Ludwig in Erfüllung ginge. Schade, daß Ihr Kinder meine Mutter Lisette nicht mehr kennengelernt habt. Sie war eine liebe, se{e}lengute Frau. Sie war immer freundlich u. fröhlich u. ihr Angesicht strahlte förmlich von Güte u. Liebe. Alle Leute in Ohrum hatten sie gern │ u. viele holten sich bei ihr Trost, wenn sie in Nöten waren. Sie hatte eine schöne Stimme u. sang sehr gern. Sie sang sehr gern in der Dämmerstunde u. sobald ich einigermaßen spielen konnte, habe ich ihren Gesang auf dem Klavier begleitet. Noch jetzt spiele ich alle diese Lieder gern5 u. denke dann dabei an mein gutes Mütterlein u. die schöne Jugendzeit zurück.
Die beiden Tagebücher von meinem Vater Georg will ich Euch gern überlassen. Da ich nur Töchter mein eigen nenne, so ist es auch besser, {wenn} Ihr Kinder dieselben aufbewahrt. Das Familienbild u. das Bild vom Großvater Ludwig u. Großmutter Dorette6 möchte ich gern wieder zurückhaben.7 Es eilt natürlich nicht.
Onkel Wilhelm, Tante Helene u. Frida8 war{en} in den letzten drei Wochen in Wiesbaden bei 26 Frau Bertha Siegwald. Sie haben fast jeden Tag dort Bäder genommen.9 Bei Gustav Utermöhlen10 waren sie natürlich auch öfter. Seine Tochter Elle11 war im Sept. während ihrer Ferienzeit bei uns in Heimgarten. Sie hat sich hier ordentlich erholt.
Das liebe Weihnachtsfest rückt nun immer näher, da heißt es allmählich mit den Vorbereitungen beginnen. Ihr Kinder werdet dann wohl alle in Weferlingen bei der lieben Mutter12 unter dem Weihnachtsbaum versammelt sein u. Euch schon jetzt auf das fröhliche Fest freuen. Alle Heimgärtner senden Dir u. allen Deinen lieben Angehörigen die herzlichsten Grüße.
Dein getreuer Onkel
K. Utermöhlen.
1 Karl (11.5.1861-?) war das vierte Kind von Lisette Christine Wilhelmine Hettenhausen (1.7.1832-21.8.1900) und Georg Utermöhlen (18.8.1831-30.5.1920) und zusammen mit seinen Eltern nach Heimgarten ausgewandert; vgl. Einleitung. Lt. Maria Kern-Hauser: Herrschaftliche Häuser, in: Bülacher Neujahrsbl. 1993, ebd. (Einl./Anm. 9), S. 48b, zog Karl zu Beginn des Zweiten Weltkrieges aus der Schweiz zurück nach Deutschland.
2 Karls Vater Georg war vor seiner Auswanderung in die Schweiz, wo er eine Obstplantage bewirtschaftete, eine Zeitlang Lehrer in Ohrum, Kreis Wolfenbüttel (sowie zuvor in Heißum, Ldkr. Goslar), gewesen. Von Heißum, wo sein siebentes Kind Hermann Mitte Februar 1868 zur Welt kam, muß er vor oder im Januar 1871 nach Ohrum gewechselt sein, wo am 20.1. die Geburt seines achten und letzten Kindes Wilhelm aktenkundig wurde.
3 Ludwig Utermöhlen (21.1.1804-21.4.1869), gebürtig aus dem ziemlich genau zwischen Göttingen und Hannoversch Münden gelegenen Jühnde, war Lehrer in Bonaforth (so die heutige Schreibung), wo er auch starb. Bonaforth, seit 1973 Ortsteil von Hannoversch Münden, liegt am Nordhang des Kaufunger Waldes rechts der Fulda.
4 d.h. des Briefschreibers selbst, dessen ältere drei Geschwister allesamt Mädchen waren.
5 Nach dem Bericht Kern-Hausers, a.O. (Anm. 1), stand in Karl Utermöhlens Heimgartener Wohnzimmer eine Hausorgel, auf der er «sehr oft zusammen mit seiner Tochter Frieda» musizierte.
6 Karls Großmutter Dorette Utermöhlen, geb. Schmidt (30.1.1811-7.5.1870), Frau von Ludwig Utermöhlen (zu ihm s. Anm. 3).
7 Der Brief ist mit fünf Photos auf uns gekommen: 1. einer unbeschrifteten kleinformatigen Aufnahme von – vermutlich – Karls Eltern Georg und Lisette, die laut Auskunft der Rückseite von Photo Nr. 2 aus dem Jahre 1866 stammt («Kleines Bild aufgenommen 1866 in Heißum Großvater 35J, Großmutter 34»), als die beiden 35 bzw. 34 Jahre alt waren (vgl. o. Anm. 1), wobei die Handschrift, in der das vermerkt ist, nicht Karl gehört, sondern mutmaßlich – da das abgebildete Paar als «Großeltern» bezeichnet wird – jemandem aus der Generation von Käthe und Lisa Utermöhlen; vielleicht Lisas Ehemann Fritz Barnstorf, dem Familienhistoriker; 2. dem von Karl Z. 23 so genannten Familienbild aus dem Jahre 1875, das seine Eltern Georg und Lisette inmitten ihrer siebenköpfigen Kinderschar zeigt (laut Umschrift v.l.n.r.: «Hermann, Albert, Mutter Lisette, Ida, Vater Georg, Karl, Minna, Dina, Wilhelm», «das Bild wurde 1875 aufgen.») und von dem es noch einen weiteren Abzug gibt (das achte Kind, d.h. das in der Reihenfolge der Geburten eigentlich dritte, war die bereits am 16.8.1861 kaum mehr als anderthalbjährig verstorbene Bertha); 3. einer der «Familie Hermann Utermöhlen in Weferlingen» zugedachten Ansichtskarte des Bülacher Photographen R. Freudiger, die Karls und Hermanns Vater Georg am 20. September 1916 in seinem 85. Lebensjahre im Sonntagsstaat inmitten der Heimgartener Landschaft stehend zeigt; 4. einer Aufnahme von (laut Beschriftung auf der Rückseite in des Briefschreibers eigener Hand) Karl im 71. Lebensjahr («K. Utermöhlen 71 Jahre alt.») – also aus demselben Jahr, aus dem der Brief datiert –, im Anzug, vor der von zwei Fenstern eingerahmten Haustür seines Heimgartener Domizils Haus Bergheim, die Rechte auf die Türklinke gelegt, als wollte er soeben öffnen und eintreten; und 5. einer aus ungefähr derselben Zeit stammenden Aufnahme einiger Heimgartener Utermöhlens, die sich vor ebendem Haus Bergheim um einen Gartentisch versammelt haben: auf der linken Seite sitzend vermutlich Wilhelm, Karls um zehn Jahre jüngerer Bruder, neben ihm eine ebenfalls bereits weißhaarige, mütterliche Frau mit Kneifer, wohl seine Frau Helene, beide Alten mit einem kleinen Kind (Enkel bzw. Urenkel?) auf dem Schoß, rechts außen am Tisch, frontal dem Photographen zugewandt, Karl, links neben ihm, das Fenster im Rücken, eine deutlich jüngere Frau, möglicherweise eine seiner beiden Töchter; hinter ihr und Karl in der offenen Haustür stehend ein Paar, wobei die Frau der neben Karl sitzenden ähnelt; eventuell also stehend seine Tochter Erika mit ihrem zweiten Mann Oskar Staege, mit dem sie sich 1925 verlobt hatte (Brief 18, Z. 18 mit Anm.) – die beiden auf den Schößen der Alten hockenden Kinder könnten dann freilich nicht die ihren sein, weil Erika zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits fünfzig Jahre alt gewesen wäre – und sitzend Erikas jüngere Schwester Frieda. Die von fremder Hand stammende Beschriftung auf der Rückseite dieses Photos weist zwar die linke Seite Karl und Maria und die rechte Helene und Wilhelm zu, doch ergibt der Vergleich mit Aufnahme Nr. 4 eindeutig, daß Karl der rechts Sitzende sein muß. Zudem springt sowohl der zwischen den beiden Brüdern bestehende große Altersunterschied als auch der Generationenunterschied zwischen den beiden sitzenden Frauen ins Auge, von denen die Ältere wiederum deswegen nicht Maria gewesen sein kann, weil diese schon 1923 verstorben war; s. Brief 8, Z. 52. – Zu Haus Bergheim findet sich in Bülacher Neujahrsbl. 1993, a.O. (Anm. 1), S. 48a-c. 51f., nebst zwei Außenaufnahmen sowie einem Abdruck unseres privaten Photos Nr. 5 (für das keine Rechte nachgewiesen werden) eine interessante Beschreibung. – Das Z. 23 erwähnte «Bild vom Großvater Ludwig u. Großmutter Dorette» befindet sich nicht unter den Photos, wohl weil es wunschgemäß retourniert worden ist. Dafür, daß es der Sendung beilag, spricht, daß die Geburtsdaten dieser Stammeltern, zusammen mit den Angaben zu Photo Nr. 1, in einer kleinen Ecke auf der Rückseite von Nr. 2 notiert worden sind. Dieser Nr. 2, dem «Familienbild», kommt möglicherweise eine besondere Bedeutung zu: 1875 aufgenommen, im Jahr der Inkraftsetzung des gesetzlichen Impfzwanges, der die Auswanderung motivierte, könnte es das letzte gemeinsame Porträt der Utermöhlens vor dem Aufbruch der Eltern mit vieren der Kinder nach der Schweiz sein (s. Einl.). Auch dieses Bild dürfte nach Herstellung der beiden Abzüge an den Leihgeber zurückgegangen sein. Ob die übrigen vier, im Brief nicht erwähnten Aufnahmen ebenfalls mit ihm oder aber auf anderen Wegen an die Adressaten gelangt und erst später hier eingeordnet worden sind, läßt sich nicht mit letzter Sicherheit entscheiden. Zumindest Nr. 4 und 5, die aus derselben Zeit wie der Brief stammen, gehören sehr wahrscheinlich zu ihm.
8 Mglw. Karls zweite Tochter Frieda (so die Schreibung in der Stammliste der Familie, zu welcher s. Einl.), die wohl ein enges Verhältnis zu seinem Bruder Wilhelm und seiner Schwägerin Helene hatte, nach deren Tod sie am 13.5.1944 als Universalerbin in ihren Besitz eintrat; vgl. Kern-Hauser, a.O. (Anm. 1), S. 48a, sowie Beilage ‹Besitzesverhältnisse› zum Bülacher Neujahrsbl. 1993.
9 Wiesbaden ist eines der ältesten Kurbäder Europas, berühmt für seine vielen, bereits den Römern bekannten, nachweislich sogar schon in der Steinzeit genutzten kochsalzhaltigen Thermalquellen mit Temperaturen zwischen 46°C und 66°C, die vor allem bei der Behandlung von rheumatischen und Atemwegserkrankungen Einsatz finden (Bade‑, Schwimm- und Trinkkuren). Seit Mitte des 19. Jh. nannte sich die Stadt, die eine unablässig steigende Zahl internationaler Kurgäste anzog (1936 waren es 130.000, fast so viele, wie sie Einwohner hatte), deshalb ‹Weltkurstadt›. Neben den öffentlichen Thermalbädern gibt und gab es auch immer private Badehäuser und Hotels mit eigener Thermalquelle, von denen die Z. 26 erwähnte Frau Bertha Siegwald eines betrieben haben mag.
10 Gustav Utermöhlen (21.5.1870-?) entstammte der zweiten Ehe des Julius Utermöhlen (5.9.1841-6.3.1894), eines jüngeren Bruders von Georg Utermöhlen, dem Vater des Briefschreibers (s. Anm. 1), mit Lisette Schäfer (22.8.1850-6.1.1893). Gustav war somit ein Cousin von Karl. Er wirkte als Kapellmeister in Wiesbaden, möglicherweise im Kurbetrieb.
11 Lt. ‹Stammliste› Ella Marie (12.9.1901-?). Ihre ältere Schwester Gertrud (6.10.1896-?) entstammte dem gleichen Jahrgang wie Käthe Utermöhlen und ■Friedel Kürschner.
12 Gemeint ist vermutlich die Mutter von Lisa, ■die möglicherweise nach wie vor in Weferlingen lebte, wo ihr Mann bereits 1920 verstorben war.
- Zugriffe: 4
Friedel Kürschner an Käthe Utermöhlen: Briefe 1917 bis 1969,
nebst Bildern und einigem Zusatzmaterial.
- Zugriffe: 1
Die Briefe von Friedrich ("Friedel") Kürschner an seine angeheiratete Cousine Käthe Utermöhlen geben einen Einblick in das Schicksal eines Schweizers, der in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach Peru auswanderte. Der Zeitraum des Briefwechsels, von dem leider nur die Briefe Friedels an Käthe überliefert sind, erstreckt sich von 1917 bis 1968.
Die professionelle Transkription, mit umfangreichen Anmerkungen, wird von Fr. Katrin Grünepütt, Berlin, vorgenommen.
Zur Zeit ist diese Transkription noch in Arbeit, es soll aber schon ein Teil hier vorab veröffentlicht werden.
Unterkategorien
Briefe Peru
Briefe von 1924 bis 1931. Verschiedene Stationen bis zur Hazienda "Maran Grande"
Briefe aus Camaná
Briefe aus Camaná, beginnend 1931