Brief, hschr., schwarze Tinte, zwei Seiten auf einem Blatt ‹M.K.›-Papiers (s. Brief 27); kein Um­schlag.

Camana [sic], 7. Juli 1932.

Liebe Käthe,

Am1 4.6. erhielt <ich> Deine Ansichtskarte die Du am 11.5. schriebst und am 2.7. Deinen Brief vom 25. Mai2 mit einer [sic] Foto. Ich war den letzten Monat über stark beschäftigt und hatte an’s Schreiben nicht mehr gedacht. Deßhalb werde ich nun3 für einige 6 Wochen nach Arequipa fahren und erst Anfang August wieder zurückkehren.4 Ich werde über 7 Majes fahren sowohl auf dem Hin5= und Rückwege und dort meine Freunde besuchen.6

Ja, Du meinst wenn ich mal nach Deutschland komme, dann solle ich nicht mehr weg; aber es │ wird wohl bei einem Besuche bleiben müßen. Aber vorläufig denke ich noch nicht einmal daran, denn die Zeiten sind noch sehr verworren und kann man auch garnicht gut weg hier jetzt in dieser Zeit. Hoffentlich bringen die kommenden Jahre etwas Umschwung.7 Das wäre gerade so nötig wie erwünscht. Und sind jetzt doch schon mehrere Jahre fast nutzlos vergangen kann man sagen. Aber es nützt alles nichts. Man muß auch durch diese so miserablen Zeiten eben hindurch und das Angenehme was dabei ist, mitnehmen. Von Arequipa aus schreibe ich. Für heute blos diesen kurzen Gruß Dein Friedel.

Anmerkungen

1 Es könnte auch Kleinschreibung vorliegen: Friedels ‘a’ ist häufig von unentscheidbarer mittlerer Größe (vgl. Brief 30/Anm. 2). Da jedoch der Schreiber nach Schweizer Konvention seine Briefe auch nach einer mit Komma abschließenden Anrede mit Großbuchstaben zu beginnen pflegt, nehmen wir Großschreibung an.

2 Folgt ein Strich, evtl. Gedankenstrich (–), der aber, da syntaktisch sinnlos, vielleicht auch nur einen Aufstrich zu dem folgenden Wort vorstellt.

3 Liest sich wie «um».

4 Das Kausaladverb «deßhalb» schließt zwar nicht syntaktisch, aber zweifellos gedanklich an die «starke Beschäftigung» an: Sie – und nicht die mit ihr begründete Vernachlässigung des Schreibens, wie man zuerst versteht, verstehen muß – liefert die Begründung für die Auszeit in Arequipa.

5 Kleiner Verschreiber im ‘n’.

6 Gemeint ist das Ehepaar Gnamm; s. Brief 21, Z. 20-22 mit Anm. Seit seinem Weggang aus dem Majes-Tal suchte Friedel mit den Gnamms Kontakt zu halten: Briefe 26, Z. 18f., 29, Z. 8f. mit Anm.; 32, Z. 24-27.

7 Umschwung, obzwar nicht der ersehnte wirtschaftliche, trat in Peru zu dieser Zeit außerordentlich häufig, unter anderem am nämlichen Tage des Briefdatums ein, als die sog. Revolution von Trujillo ausbrach, mit schweren und langanhaltenden Folgen. Unter dem Banner des Aprismo (s. Brief 23/Anm. 31 [zweite Hälfte]) und der Führung des Bruders des zu diesem Zeitpunkt inhaftierten APRA-Gründers Víctor Raúl Haya de la Torre (ebda.) versammelten sich Arbeiter von Zuckerrohr-Hazienden und Studenten, stürmten eine Kaserne in Trujillo und brachten mehrere Offiziere in ihre Gewalt. Die Regierung Sánchez Cerro (ebda., mit weiteren Verweisen, sowie Brief 27/Anm. 7), die für solche Fälle gleich nach Amtsantritt ein Notstandsgesetz erlassen hatte, reagierte mit aller Härte, schickte massenhaft Militär, rief den Belagerungszustand aus, bombardierte angesichts hartnäckigen Widerstands sogar mit ihrer Luftwaffe die Stadt und eroberte sie schließlich in einem regelrechten Häuserkampf, der viele Bürger das Leben kostete. Die Aufständischen wiederum massakrierten die gefangengenommenen Offiziere auf entsetzliche Weise. Einem Teil der Insurgenten gelang anschließend die Flucht aus der Stadt in die Berge, während die Zurückgebliebenen von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt und am 27. Juli 1932 exekutiert wurden. Nicht nur, aber auch nicht zuletzt aufgrund dieses Ereignisses, das überdies eine langwährende, erbitterte Feindschaft zwischen APRA und Militär stiftete, ging das Jahr 1932 in die peruanische Geschichte als «Año de la barbarie», als Jahr barbarischer Grausamkeiten, ein.