Brief, hschr., schwarze Tinte, vier Seiten auf zwei Blättern ‹M.K.›-Papiers (wie Brief 27); kein Umschlag.
Camaná, den 20. Mai 1932.
Meine liebe Käthe,
Deinen lieben Brief vom 5.4. erhielt ich gestern. Er kam in Camana [sic] wenige Tage vor meinem Geburtstag an,1 aber da ich am 7. Mai nach Arequipa fuhr und erst gestern nacht wieder hier eintraf, habe ich gerade gestern abend2 spät noch Deinen Brief gelesen. Wie vielmals danke ich Dir für Deine guten Worte.
Was mich auch freute ist, daß Du immer auf Deinem Posten sein kannst,3 das ist heute eben das Wichtigste. Hast aber zuviel Arbeit sagst Du, und das ist ja nicht ganz in Ordnung. │ Denn die Arbeit sollte nicht dermaßen sein, daß die Gesundheit darunter leidet:4 Hoffentlich bleiben Dir doch genügend Tage und Stunden die Dir gehören. Ich schrieb Dir zuletzt am 28. April und erzählte Dir von Lima und auch daß <ich> dieses Jahr auf eigene Rechnung etwas anpflanzen werde. Inzwischen hat sich die Lage schon wieder verändert. Die Goldwährung ist aufgehoben worden und nun5 ist das Geld am sinken.6 Also umso mehr ist es gut selbst etwas zu machen um durch die Produkte sich wenigstens vor allzu großer Wertlosigkeit des Geldes zu schützen.
Wir sind hier mitten in der Baumwoll= und Reisernte.
║II.║ Hab vielen Dank für all Deine guten Wünsche. Und will ich hoffen daß dieselben in Erfüllung gehen.
Man darf tatsächlich nicht zu sehr an die gegenwärtigen Zeiten denken, so traurig dieselben sind und daß die besten Jahre so schnell vorüber gehen.
Hoffen wir doch daß es so schlimm wie zurzeit [sic] nicht immer bleiben wird.
Mußt heute mit diesen wenigen Zeilen vorlieb nehmen. Wie auch Du sagst lieber öfters. Ich wollte Dir aber heute sofort antworten weil ich weiß daß Du darauf wartest. Und bei Euch ist oder war solch │ schöner Frühling.
7Die Jahreszeiten drüben haben doch ihren ausgesprochen eigenen Reiz auf den Menschen, das spürt man am besten, wenn man diese Wechsel in der Natur wie hier nicht hat.8 Peru ist ein Wüstenland an der ganzen Küste und nur in den Tälern wo Wasser fließt und berieselt werden kann kann Grünes gedeihen9
Sei vielmals und herzlich gegrüßt von
Deinem Friedel.
1 Zur Frage von Friedel Kürschners Geburtsdatum s. Einleitung und Brief 24, Z. 27 mit Anm. und weiteren Verweisen. Die ersehnte Klärung bringt Brief 34, Z. 54.
2 Mglw. auch Großschreibung – das ist bei Friedels ‘a’-Glyphen meist schwer zu entscheiden –, doch da er eine Zeile zuvor «[gestern] nacht» korrekt kleingeschrieben hat, unterstellen wir hier gleichfalls Kleinschreibung.
3 Zu diesem Zeitpunkt stand Käthe Utermöhlen vermutlich immer noch in jener Art Kurzarbeitsverhältnis bei der Braunschweiger Konservenfabrik Roever, in das die Wirtschaftskrise sie im Herbst 1931 gezwungen hatte; s. Einleitung/Anm.en. 63f.
4 Doppelpunkt sic.
5 Liest sich wie «um».
6 Ähnliches berichtete Friedel bereits im November 1930; s. Brief 23, Z. 51-53 (mit Anm. zur Aufhebung des Goldstandards).
7 Einmalig kleinerer Einzug sic.
8 Daß ihm in Peru der ausgeprägte Jahreszeitenwechsel fehlt, bringt Friedel immer wieder einmal zum Ausdruck; z.B. Brief 34, Z. 87-89.
9 Fehlender Satzpunkt sic. – Diese Beschreibung der Klimageographie seines Standortes auch z.B. in den Briefen 23, Z. 14-20; 34, Z. 81-87.